Perspektiven der Fußball-Produktion
Eine DFL-Veranstaltung bot beim Supercup 2023 viele interessante Ein- und Ausblicke zum Thema Fußballproduktion.
Die DFL brachte beim Supercup 2023 zahlreiche Experten zusammen, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Gegenwart und Zukunft von Medienproduktion und medialen Angeboten im Fußball beschäftigten.
Impulsvortrag zur Medienproduktion
Den Anfang machte Marcus Beisiegel, der bei der DFL bisher als Leiter Audiovisuelle Rechte National tätig war und ab September als neuer Direktor Audiovisuelle Rechte und Medienprodukte für die Ausschreibung der deutschsprachigen Medienrechte sowie das nationale und internationale Produktmanagement verantwortlich sein wird.
In den vergangenen Jahren habe die DFL viele neue Technologien aufgegriffen, um neue Medienprodukte zu generieren, so Beisiegel.
Beispiele dafür sind der Interactive Feed, personalisierte Bundesligainhalte, aber auch die Digitalisierung des deutschen Fußballarchivs oder wie in diesem Jahr der 9:16-Feed von Ran und der 3D-Sound bei ausgewählten Spielen. Bei all dem gehe es immer darum, »näher ran« zu kommen und mit der Berichterstattung Fans aller Altersklassen zu begeistern. Mit Rekordwerten beim Zuspruch in den Stadien, in der TV- und Radio-Berichterstattung wie auch bei Social Media könne man durchaus auf ein erfolgreiches Produkt verweisen, so Beisiegel. Das gelte es kontinuierlich und vor allem gemeinsam mit Partnern weiterzuentwickeln.
Produktion Supercup 2023
Auch beim Supercup 2023 gab es wieder einige interessante Produktionsaspekte.
Dazu zählte etwa der Einsatz von CineCams, der erstmalig bei erfolgreichen Torschüssen auch auf dem Platz stattfinden durfte, aber auch die Railcam, die Spieler entlang der Seitenlinien verfolgt, der Tactical Feed mit Livedaten für nationale und internationale Kunden, eine Minidrohne, die durchs gesamte Stadion flog, sowie ein software-basierter 9:16-Feed. Den zeigte Ran bei TikTok, kommentiert von Conan Furlong und Splashbrudda. Auch Sky streamte einen 9:16-Feed in einer Watch Party (siehe Meldung).
Wie sich die beiden Trainer Thomas Tuchel und Marco Rose beim DFL-Supercup an der Seitenlinie verhielten, war bei Ran mit dem Stream der Coach Cams zu sehen.
Mehr Nähe, so Beisiegel, sei künftig auch denkbar mit Interviews aus der Kabine, mit Body Cams und vielleicht auch mit mehr Spielerdaten. Allerdings schränkte er ein, dass man bei diesen neuen Formaten behutsam vorgehen müsse.
Studie Medienproduktion und -Produkte
Prof. Sascha Schmidt, WHU – Otto Beisheim School of Management, Lehrstuhlinhaber des Center for Sports and Management – beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Zukunft von Medienproduktion und Medienprodukten.
Zusammen mit der DFL und AWS hatten er und sein Team auf der Basis von zwei Delphi-Studien einen Report verfasst (Download hier). 99 Expertinnen und Experten hatten sich dafür zu bestimmten Trends und Themen geäußert, die sowohl die technische Produktion als auch das Produkt selbst betrafen.
Wichtige Resümees lauteten, dass mehr Interaktion, Immersion und Personalisierung erwünscht seien, dass mobiler Konsum und vertikale Formate weiter an Bedeutung gewännen. Der Einsatz von KI spiele ebenfalls eine wichtige Rolle, unter anderem, wenn es um die Individualisierung von Inhalten und deren automatisierte Produktion gehe. Für Top Tier sehen die Experten und Expertinnen allerdings noch keine automatisierte KI-Produktion vor 2030.
Talk mit Medienpartnern
Beim Talk mit nationalen Medienpartnern traten Alessandro Reitano, Sky, Produktions-Chef DACH, Michael Gerhäußer, Seven.One Entertainment Group, Ran Digital-Chef, Michael Bracher, DAZN, Programm-Chef DACH und Marcus Beisiegel, DFL an. Einigkeit herrschte bei den Teilnehmern darin, dass der Fußball für die Berichterstattung der Sender jeweils eine sehr wichtige Rolle spiele.
Mit der Übertragung in UHD und mit Dolby Atmos habe man einen sehr hohen technischen Qualitätsstandard erreicht, findet Alessandro Reitano von Sky und führt weiter aus, dass es nun darum gehe, diesen Standard auch mit neuen Formaten zu ergänzen. Als Bespiel hierfür nannte er »Sky Next Generation« (siehe Meldung), die Sky im Fußball und nun auch in der Formel 1 mit Kindern umsetzt.
Michael Bracher von DAZN pflichtete Reitano bei, dass man das Produkt Fußball nun so weiterentwickeln müsse, dass es moderner und auch interaktiver werde. Dabei seien Unternehmen wie DAZN, Sky oder ProSiebenSat.1 letztlich Partner und Konkurrent gleichermaßen. Sky habe einen tollen Qualitätsstandard entwickelt, so Bracher, aber auch DAZN habe schon viel an Innovation beigetragen. Als Beispiel nannte er die Kombination aus Kommentator und Experten, die sich mittlerweile bei vielen Fußballübertragungen etabliert hat.
Alessandro Reitano findet, dass man im Prozess der Weiterentwicklung von Formaten auch Fehler machen dürfe, nur so könne Innovation gelingen. Auch Michael Gerhäußer ist sich sicher, dass man nur mit permanenter Weiterentwicklung am Puls der Zeit bleiben könne. Marcus Beisiegel betonte, wie wichtig innerhalb dieses Prozesses eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sei.
Sehr munter wurde die Runde, als Moderator Christopher Holschier die Teilnehmer nach ihren Wünschen an die DFL fragte. Für Alessandro Reitano ist klar, dass die Sender die Gelegenheit erhalten müssen, »näher ran zu kommen«. Konkret bedeute das beispielsweise, Interviews in der Kabine führen oder Spieler zeitgemäß verkabeln zu können, um neue, bessere Geschichten erzählen zu können.
Das sieht auch Michael Bracher von DAZN so, der darauf hinweist, dass beispielsweise der US-Basketball-Star LeBron James seit Jahren mit Mikro im Shirt spiele, und dass es im MotoGP gängig sei, noch fünf Minuten vor Rennbeginn Interviews mit den Rennfahrern zu führen. Von solchen Möglichkeiten könne man im Fußball nur träumen. Genau das müsse sich ändern, schließlich zahlten die Sender auch jede Menge Geld an die DFL und die Vereine, so Bracher. Michael Gerhäußer findet zudem, dass es im US-Sport für die Sender viel mehr und auch bessere Möglichkeiten für eine nahe, emotionsgeladene Berichterstattung gebe. Das müsse auch hier das Ziel sein.
Marcus Beisiegel von der DFL entgegnete, dass er all diese Wünsche verstehe, der Fußball hier aber länger brauche. Die Geschwindigkeit solcher Veränderung müsse passen. Er ergänzt, dass es auch andere Möglichkeiten gebe, näher an den Sport zu kommen, etwa über die Fans in den Stadien.
Bilder, wie sie etwa eine CoachCam bietet, die jeweils ausschließlich die Trainer verfolgt, betrachtet Michael Gerhäußer als interessante Zusatzangebote. Aber auch eine Bodycam könne man sich sehr gut vorstellen.
Showcase In-Car-Entertainment
Dass es auch ganz andere Möglichkeiten der Nutzung von Fußballrechten gibt, zeigte der Vortrag von Roman Schade, DFL, Stv. Leiter Audiovisuelle Rechte National. Er stellte ein geplantes Rechtepaket für Showcase In-Car-Entertainment vor. 80% der Autofahrer seien auch an der Bundesliga interessiert, so Schade, zudem verbringe man sehr viel Zeit im Auto. Da liege es nahe, Fußball auch übers In-Car-Entertainment anzubieten. Ein entsprechendes Rechtepaket will die DFL 2024 anbieten.
Darüber wird es dann möglich sein, im Auto Bundesliga-Inhalte zu konsumieren – mit kontextabhängigen Inhalten, die je nach Fahrsituation zur Verfügung gestellt werden sollen. Aktuell spreche man mit diversen Herstellern und Flottenanbietern, man gehe aber derzeit von einer exklusiven Vermarktung aus, so Schade.
Rechteschutz
Britta Sölter, Managing Director von Ryghts, ging in ihrem Vortrag auf das Thema Rechteschutz ein. Die DFL versucht Urheberrechtsverletzungen nachzugehen, denn jeder Kunde, der für die DFL wegfällt, ist letztlich ein Schaden. Aber nicht jeder, der Inhalte illegal nutzt, wäre auch bereit, ein Abo zu kaufen. Insofern tue man sich schwer, verlässliche Zahlen über den durch Piraterie entstandenen Schaden zu nennen.
Britta Sölter erläuterte, dass es durchaus viele Piraterie-Angebote gebe, die auf den ersten Blick seriös wirkten, aber es eben nicht seien – was für manchen Konsumenten nicht leicht zu durchschauen sei. Letztlich müsse ein Unternehmen wie Ryghts, das nicht nur im Bereich Fußball, sondern auch für ATP und NBA arbeite, immer am Ball bleiben. Doch die Verfolgung von Piraterie bleibe nun mal ein Katz- und Mausspiel, doch diese Herausforderung nehme Ryghts an.
Bedeutung von Daten im Sport
Mit einer Diskussionsrunde zum Thema »Bedeutung und Nutzung von Daten in der Medialisierung des Sports« endete die Veranstaltung.
Luuk Figdor, Principal Sports Technology Advisor von Amazon Web Services, Christian Holzer Managing Director von Sportec Solutions und Luccas Roznowicz, Head of Digital Innovations der DFL, gaben Einblicke in die Welt der Daten.
Um eine Größenordnung zu vermitteln: Bei einem einzigen Bundesligaspiel entstehen 3,6 Millionen Datenpunkte und 1.600 Events, die es zu verarbeiten gelte, so Luuk Figdor von AWS. Christian Holzer, der mit Sportec Solutions die Erfassung, Speicherung, Analyse, Auslieferung und Auswertung von Live-Spieldaten für Sportligen und Sportverbände auf der ganzen Welt anbietet, betonte, dass der Bereich Daten nach wie vor stark wachse und sich auch permanent verbessere.
Werte wie die »Expected Goals« haben sich mittlerweile in der Sportberichterstattung etabliert. Letztlich gehe es immer darum, mit Hilfe der Daten eine bessere Geschichte zu erzählen. In manchen Sportarten geht es aber noch viel weiter. So beeinflussen die in der Formel 1 erfassten Daten auch das Design neuer Rennwagen.
Luccas Roznowicz von der DFL betonte, dass man perspektivisch immer mehr Daten erfassen werde, aber eben auch die richtige Balance anstrebe – denn letztlich gehe es im Sport auch immer um Emotion.
Dass die Datenanalyse auch mal falsch liegen kann, zeigte ja eindrucksvoll der letzte Spieltag der vergangenen Bundesliga-Saison. Denn nach Datenlage hieße der Meister der vergangenen Saison Borussia Dortmund …
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