Diskussion um Rundfunk- und Kulturfrequenzen
Ein breites Bündnis fordert den Erhalt der Rundfunk- und Kultur-Frequenzen — und erläutert, was uns fehlen würde.
Terrestrisches Fernsehen wird es ohne UHF-Frequenzen nicht mehr geben. Und schon heute fallen Konzerte wegen Frequenzmangels in Deutschland aus. Das würde uns fehlen, wenn die Rundfunk- und Kultur-Frequenzen wegfallen oder weiter beschnitten würden. Bei einer Online-Konferenz im Rahmen der aktuellen »Frequenzwoche« ging es um den Erhalt der von Rundfunk- und Kulturanbietern genutzten Frequenzen im Bereich zwischen 470 und 694 MHz über das Jahr 2030 hinaus. Die »Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen« fordert diesen Erhalt der Frequenzen und vertritt damit auch die Interessen vieler Millionen Nutzer, von denen die meisten wahrscheinlich gar nicht wissen, dass sie Dienste in diesem Bereich nutzen, die jenseits von 2030 bedroht sein könnten: dazu gehören terrestrisch verbreitete Rundfunkangebote, aber auch bei Konzerten und Events aller Art werden diese Frequenzen benötigt, um zu kommunizieren, Bilder und Töne zu übertragen.
Darum geht es
Das UHF-Band zwischen 470 und 694 MHz ist eine der technischen Schlagadern der Kultur- und Kreativwirtschaft: Kein anderes Band hat diese weltweite Verfügbarkeit. Es handelt sich um ein »Spectrum Sharing Ecosystem« aus Rundfunk (TV, Mikrofone), Kultur (Mikrofone), Wissenschaft (Radio Astronomie, Wetterdienst) und auch Militär (lokal auf Truppenübungsplätzen). Dieses System funktioniert seit Jahrzehnten ohne Eingriff der Regulierungsbehörden, weil die Frequenznutzungen gut zueinander passen.
Im November bis Dezember 2023 wird die Weltfunkkonferenz 2023 (WRC-23) nun aber über eine künftige Nutzung dieses Bandes nach 2030 entscheiden. Es könnte passieren, dass dieses Frequenzband dann nicht mehr für Rundfunk und drahtlose Produktionsmittel (PMSE: Programme Making and Special Events) zur Verfügung steht. Denn auch andere möchten gerne dieses Spektrum nutzen und melden mehr Ansprüche an, etwa Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).
Es ist aber so, dass 80 Millionen oder 43 % der Haushalte in der Europäischen Union über digitales terrestrisches Fernsehen fernsehen, und zudem nutzen unzählige Kultur- und Musikproduktionen dieses Frequenzband. Letztere arbeiten mit drahtlosen Mikrofonen und In-Ear-Monitor-Systemen bei Konzerten und Konferenzen und vielen anderen Veranstaltungen – und benötigen hierfür diese Frequenzen.
Ein weiterer Aspekt: Band und Musiker auf Tour können mit ihrem eigenen Ton- und Beschallungs-Equipment durch ganz Europa reisen und ihre Geräte überall in diesem Frequenzband nutzen. Auch Messen, Unis, Schulen oder auch Kirchen sind darauf angewiesen. Kurzum: Ohne den Zugang zu diesem Spektrum werden Kultur und terrestrisches Fernsehen nicht mehr wie bisher möglich sein.
Während die Position Deutschlands mit Blick auf die Zuteilung der Frequenzen auf der Weltfunkkonferenz 2023 (WRC) noch offen ist, sprechen sich viele europäische Länder, wie etwa Frankreich, Italien und Kroatien, bereits klar für »No Change« bei der Frequenzvergabe für Rundfunk und Kultur aus.
ARK fordert »No Change«
Die »Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen« (ARK), ein breites Bündnis aus Rundfunk, Kultur und Industrie, fordert, dass sich Deutschland der europäischen Position anschließt. Das würde bedeuten, die »No Change«-Initiative zu unterstützen, also das UHF-Band 470 bis 694 MHz so wie bisher für Kultur und Terrestrik zu erhalten. Dies waren die Hauptaussagen einer Online-Konferenz im Rahmen der Europäischen Frequenzwoche.
Mitglieder der Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen sind ARD, Deutschlandradio, Media Broadcast, die Medienanstalten, die Initiative SOS – Save Our Spectrum, Sennheiser, Vaunet – Verband Privater Medien, ZDF sowie der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI. Die Allianz setzt sich für die langfristige Sicherung der Nutzung des UHF-Frequenzbandes durch Rundfunk und drahtlose Produktionsmittel ein.
Unterstützung für die Sicherung der UHF-TV-Frequenzen sagte in ihrer Funktion als Koordinatorin der Rundfunkkommission der Bundesländer auch die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab zu.
Deutschland dürfe sich frequenzpolitisch nicht von Frankreich, Italien, Spanien, Kroatien oder Großbritannien abwenden, hieß es auf der Konferenz. Die ARK betonte, die deutschen Vertreter auf der WRC 2023 müssten sich daher für einen europäischen Konsens zur Sicherung der bisherigen Zuweisung des UHF-Bandes an Medien und Kultur einsetzen. Die europäische Harmonisierung sichere den Binnenmarkt und dürfe nicht durch neue Störfaktoren beeinträchtigt werden. Auch jegliche Vorfestlegungen für die Weltfunkkonferenzen 2027 und 2031 sieht die ARK kritisch. Interessen der Blaulichtorganisationen, wie Polizei und Feuerwehr, sollten gemeinsam europäisch abgestimmt und nach der Weltfunkkonferenz Teil eines europäischen Frequenzkonsenses werden.
Koalitionsvertrag unterstützt Frequenz-Erhalt
Die Bundesregierung hatte bereits 2021 im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, das UHF-Band »dauerhaft für Kultur und Rundfunk [zu] sichern«. Staatssekretärin Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Rundfunk-Angelegenheiten im Länderkreis, bekräftigte: »Die Terrestrik spielt für die mediale Teilhabe eine besondere Rolle. Medien und Kultur müssen alle erreichen. Daher sollte die Entscheidung über die künftige Nutzung des UHF-TV-Bandes nicht voreilig getroffen werden, sondern unter behutsamer Abwägung aller berechtigten Interessen. Hier sind die Länder gehalten, eine gemeinsame Haltung zu finden, ohne die Terrestrik durch verfrühte Entscheidungen zu beschädigen. Dazu gehört insbesondere die vorherige Abklärung der technischen Nutzbarkeit durch andere Anwendungen.«
Weitere Aspekte
Prof. Dr.-Ing. María Dolores Pérez Guirao betonte in ihrem Impulsvortrag, wie wichtig der Erhalt der Frequenzen für die gesamte Kreativwirtschaft sei. Sie vertritt zudem die Meinung, dass für die Zukunft von PMSE-Anwendungen neben den TV-UHF-Frequenzen nicht nur gleich viel, sondern mehr Frequenzen benötigt werden. Das sieht auch Marco Voelzke so, der als freier Tontechniker und Frequenzmanager an dem Panel teilnahm. »No Change« reicht nicht, findet Völzke, der als selbständiger Frequenzmanager arbeitet. Der Kulturbereich brauche mehr Frequenzen.
Auch Uwe Baeder, Direktor International Relations, ITU/UN, Rohde & Schwarz, betonte in seinem Impulsvortrag über mobile Rundfunkübertragung mit 5G Broadcast, dass alle geplanten Services von 5G Broadcast von diesem Erhalt abhängig seien.
Jochen Mezger, Leiter ARD-Kompetenzzentrum internationales Frequenzmanagement, erläuterte in dem Panel, dass es insbesondere aus dem BOS-Bereich, mit dem man bisher immer gut zusammengearbeitet habe, Begehrlichkeiten gebe. So erhebe die deutsche BOS Anspruch auf 60 Megahertz, was nicht ohne Einschnitte im Rundfunk möglich wäre. Zudem gebe es kein anderes Land in Europa, in dem BOS einen derart hohen Frequenzbedarf anmelde. Warum ist das so? England/Finnland lösen das Thema mit Mobilfunk, andere Ländern kombinierten Mobilfunk und 700 Megahertz-Frequenzen, so Mezger.
Er lehnt eine sogenannte ko-primäre Zuweisung des UHF-TV-Spektrums auch mit anderen Funkdiensten, etwa Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und auch Mobilfunkunternehmen, ab. Ko-primär würde heißen, dass am Ende eine Entscheidung gefällt werden müsste, wer das Spektrum nutzen dürfe, denn technisch sei es nicht möglich, dass mehrere Beteiligte es nutzen, so Mezger. Eine flexible Nutzung sei aus technischer Sicht nicht möglich.
Wenn sich Deutschland für Ko-Primär entscheiden würde, wäre das ein fatales Signal, betont Mezger. Eine ko-primäre Zuweisung sei gleichbedeutend mit Frequenzverlust. Dann werde es keine Weiterentwicklung für 5G Broadcast geben und auch für die Terrestrik nicht.
Dem pflichtete auch Michael Moskob, Leiter Regulierung & Unternehmenskommunikation Media Broadcast, bei, der wie einige Vorredner betont, dass das Frequenzspektrum für Terrestrik und Kultur erhalten bleiben müsse. Begrüßenswert sei aber, dass für ein Miteinander geworben werde. »Lasst uns diesen europäischen Weg gehen«, sagt er.
Fazit
Die Veranstaltung endete mit dem positiven Fazit, dass eine Lösung gefunden werden könne, die alle Interessen berücksichtigt, ohne dabei das für Rundfunk und Kultur bestehende Frequenzspektrum umwidmen zu müssen.
Die Allianz fordert, dass die deutsche Delegation bei der Weltfunkkonferenz 2023 entsprechend des Koalitionsvertrags der Bundesregierung mit einem entsprechenden klaren Mandat der Politik für »No Change« bei den Kulturfrequenzen ausgestattet wird.
Denn Millionen Menschen nutzen täglich die Angebote von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern — in ganz Europa. Diese benötigen die UHF-Frequenzen, um Medieninhalte zeitgemäß produzieren und über eine krisensichere Infrastruktur anbieten zu können.
Gerade in heutigen Zeiten sollte es weiterhin eine resiliente TV- Terrestrik geben. Die EU-Studie «Study on the use of the sub-700 MHz band (470-694 MHz) Final Report« aus dem Oktober 2022 zeigt, dass viele europäische Länder auch nach 2030 terrestrischen Rundfunk anbieten wollen. Dazu könnte künftig auch 5G Broadcast gehören. Ein Verlust des Frequenzbands würde jegliche Innovation in dieser Richtung unmöglich machen.