RTL: CO₂-Fußabdruck von Streaming
Wie klimaschädlich ist Streaming und wie kann Streaming grüner werden? RTL veröffentlichte ein White-Paper dazu.
Auch wenn in jüngster Zeit einige Streaming-Anbieter mit rückläufigen Abozahlen kämpfen: über längere Zeiträume betrachtet, boomt Streaming insgesamt weiterhin.
So wuchs der laut RTL stark wachsende Streaming-Dienst RTL+ weiterhin an, auf mittlerweile mehr als 3,4 Millionen Abonnenten. Aber Streaming verursacht natürlich auch CO₂-Emissionen.
Grund genug für RTL Deutschland, im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie auch die CO₂-Emissionen und Einflussfaktoren über die gesamte eigene Streaming-Kette zu untersuchen. Nun veröffentlicht RTL Deutschland — erstmals für den deutschen Markt — ein White-Paper zu diesem Thema.
Ziel der enthaltenen Studie war es, erstmals Ableitungen sowie Empfehlungen für eine möglichst klimaneutrale Nutzung beim Streaming zu liefern. Das Besondere an der Untersuchung war laut RTL Deutschland, dass bei den Berechnungen auf die eigenen, echten Nutzungsdaten von RTL+ und teilweise auch auf lieferantenspezifische Daten zurückgegriffen werden konnte. Experten von RTL Deutschland und deren Mutterkonzern Bertelsmann haben sich für dieses White-Paper zum Thema Streaming zusammengetan und unterschiedliche Einflussfaktoren auf die CO₂-Bilanz untersucht. Dabei wird zwischen Inhouse Verarbeitung, Cloud Delivery, Transport und Benutzer unterschieden.
Die Analyse ergibt, dass im Durchschnitt 42,7 g CO₂-Äquivalente (CO₂e) emittiert werden, wenn eine Stunde Videoinhalte auf RTL+ mit einer durchschnittlichen Bitrate gestreamt werden (marktbasiert unter Berücksichtigung der beeinflussbaren und verwendeten Ökostromtarife). Dies würde in etwa einer Autofahrt von 150 m entsprechen. Bei der direkt und komplett von RTL Deutschland beeinflussbaren Inhouse-Stufe der Kette nimmt RTL eine Vorreiterposition ein und verursacht keine CO₂-Emissionen im eigenen Sendezentrum. Die weiteren Werte variieren größtenteils je nachdem, welches Endgerät beim Streamen genutzt wird. So verursacht das Fernsehgerät den höchsten Energieverbrauch und entsprechend die meisten Emissionen. Mobiltelefon und Tablet verursachen hingegen nur einen Bruchteil der Emissionen.
RTL+ mit 54 Prozent Einsparung durch Einsatz von Grünstrom
Eine Berechnung der Emissionen mit dem durchschnittlichen Strommix Deutschland (standortbasiert, das heißt ohne Berücksichtigung von Ökostromtarifen) ergab, dass durchschnittlich 92,3 g CO₂e pro Stunde gestreamter Videoinhalte emittiert werden würden. Diese Zahl liegt dabei auf vergleichbarem Niveau wie die Schätzung der zuletzt veröffentlichten Carbon-Trust-Studie für Deutschland. Dies bedeutet, dass RTL+ mit durchschnittlich 42,7 g CO₂e pro Stunde rund 54 Prozent CO₂-Einsparung durch den gezielten Einsatz von Grünstrom oder Kompensationsmaßnahmen erzielt (siehe Tabelle unten).
Marie-Fee Taube, Director Sustainability, Deputy Head of Sustainability & DEI, RTL Deutschland, erklärt: »Die Klimastrategie von RTL Deutschland fokussiert sich auf die Reduktion und Vermeidung von Emissionen. Erklärtes Ziel ist es, bis 2030 ein klimaneutrales Unternehmen zu schaffen. Dabei sind wir an einigen Stellen bereits weit fortgeschritten, wie beispielswiese beim Streaming. Denn bei den Faktoren, die wir selbst beeinflussen können, wie z. B. der Bezug von 100 Prozent Ökostrom, sind wir mit den Leistungen im eigenen Haus bereits klimafreundlich. Haupteinflussfaktoren in der weiteren Streamingkette für die mögliche CO₂ Reduktion bei RTL+ sind die Wahl der Stromanbieter sowie der Endgeräte.«
Dr.-Ing. Christian Herglotz vom Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, der die Studie auf Plausibilität prüfte, kommentiert: »Es ist eine sehr wichtige und gute Initiative von RTL+, an energieeffizienten Lösungen für das Videostreaming zu forschen und zu arbeiten. Die Ergebnisse aus der Studie zeigen anschaulich, welche Stellschrauben es gibt und welchen globalen Einfluss sie haben. Sowohl für die Forschung als auch für die Industrie und die Endnutzer ist es ein wichtiges Themengebiet, bei dem jeder von Verbesserungen profitieren kann. Die Studie zeigt auch, dass die Endnutzer durch ihr Verhalten einen großen Einfluss auf die Emissionen haben, was hoffentlich zu einer Sensibilisierung und Änderung des Nutzungsverhaltens führt. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die lokalen Rechnernetzwerke eines streamenden Sendeunternehmens ebenfalls einen enormen Energieverbrauch haben, auch wenn es heruntergerechnet auf eine Stunde Videostreaming sehr gering erscheint. Umso positiver ist es, dass RTL+ hier bereits erste Schritte geht und sich für Verbesserungen einsetzt.«
Bei den Endkunden ansetzen
Im Rahmen der jährlich stattfindenden Nachhaltigkeitswoche informiert RTL Deutschland die Zuschauer_innen derzeit fokussiert zum Thema Energie — über sämtliche Alltags- und Haushaltsfacetten hinweg. Da der Energieverbrauch von Geräten einen großen Einfluss auf die CO₂-Emissionen hat, finden sich unter anderem Möglichkeiten der Reduktion von CO₂-Emissionen bei folgenden Aspekten:
- Wechsel zu einem Ökostromanbieter
- Die Nutzung von Geräten wie Smartphones und Laptops sorgen für deutlich geringere CO₂-Emissionen, da sie weniger Leistung benötigen.
- Maßgeblich für den Stromverbrauch ist die Bildschirmgröße des Gerätes. Die optimale Bildschirmgröße ist neben der persönlichen Präferenz abhängig von den äußeren Betrachtungsbedingungen (Distanz zum Gerät).
- Moderne TV-Geräte bieten oft eine Vielzahl an Energiespar-Einstellungen. Eine automatische Helligkeitssteuerung (ABC) passt die Bildschirmhelligkeit optimal an die vorhandene Umgebungslichtstärke an und führt zu einem geringeren Energieverbrauch. Des Weiteren kann häufig der Bildmodus in Kategorien von etwa »Sparmodus« bis zu »Dynamisch« gewählt werden, was sich ebenfalls auf den Stromverbrauch auswirkt.
- Die Nutzung von Kippschaltern bei Mehrfachsteckern beendet Stromverbrauch im Stand-by Modus.
Das Studien-Design
Das Expertenteam hat bei der Anlage der Studie vier entscheidende Einflussfaktoren in der Streaming-Kette definiert und anhand eines Beispielmonats (April 2021) analysiert. Dabei haben die Spezialisten die CO₂ Emissionen
- 1. der Inhouse-Verarbeitung am lokalen Rechenzentrum in Köln
- 2. bei Cloud und Content-Delivery Netzwerken
- 3. des Transports zu den Endkunden
- 4. der Geräte der Verbraucher_innen untersucht.
CO₂-Emissionen der Inhalteproduktion mit ihren vielen unterschiedlichen Produktionseinflussfaktoren war nicht Gegenstand der Untersuchung. RTL Deutschland hat dazu 2021 Mindeststandards für Green Productions für Inhouse- und Auftragsproduktionen festgelegt und gehört bereits seit 2019 dem Arbeitskreis »Green Shooting« an.
Die Studien-Ergebnisse im Einzelnen:
Komponente | Durchschnittliche CO2e-Emissionen nach Komponenten in g/h | |
Marktbezogen (tatsächlich) | Standortbezogen | |
DInhouse | 0,0 | 0,4 |
DCloud | 0,8 | 1,5 |
DTransport | 11,1 | 59,5 |
DUser | 30,9 | 30,9 |
DTotal | 42,7 | 92,3 |
Anmerkung: Summen können aufgrund von Rundungen abweichen.
- RTL Deutschland reduziert aktiv Emissionen. Der Standort Köln wird mit erneuerbarem Strom betrieben und setzt modernste Technik ein. Daher ist der Anteil an den Gesamtemissionen bereits heute nahezu Null.
- Cloud-Dienste, einschließlich Content Delivery Networks, stellen mit 0,8 CO₂e/h ebenfalls nur einen sehr geringen Anteil der Emissionen dar.
- Die Emissionen, die beim Transport von Videodaten zum Verbraucher entstehen, tragen 11,1 g CO₂e/h zu den Streaming-Emissionen von RTL+ bei. Dies umfasst alle Emissionen aus Backbone-Netzen und Festnetz-Breitband- oder mobilen Last-Mile-Verbindungen.
- Beim Streaming von RTL+ wird der größte Anteil der Emissionen mit durchschnittlich 30,9 g CO₂e / h von den Geräten der Verbraucher ausgelöst. Bei der Berechnung wurde die entsprechende Verteilung der durchschnittlichen Nutzung auf TV, Smartphones, PCs, Laptops oder Tablets zu Grunde gelegt. Für die einzelnen Gerätetypen variieren die Emissionen stark. Während bspw. Nutzer:innen mit einem typischen 100-Watt-Fernseher die meiste Leistung benötigen und etwa 37,5 g CO₂e/h erzeugt werden, produzieren Kund:innen, die Inhalte auf einem Smartphone ansehen, nur 0,4 g CO₂e/h. Peripheriegeräte wie WLAN-Router, Mediaplayer, Set-Top-Boxen erzeugen zusätzlich 4,5 g CO₂e/h.
Die Ergebnisse zeigen, dass der langfristige Übergang zu Ökostrom die Emissionen in allen Teilen des Übertragungskette verringern, bzw. neutralisieren kann. Bei den hohen Wachstumsraten des Streamings von RTL+ ist Nutzung energieeffizienter Geräte und deren Öko-Einstellungen entscheidend, um den Stromverbrauch und die Stromkosten sowie den CO₂-Fußabdruck beim Streaming zu senken. Weitere Optimierungen der verbraucherunabhängigen Faktoren der Streamingdienste können bspw. der Einsatz effizienterer Auslastung der Rechenressourcen und die effizientere Übertragung von Videos erzielen.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung verfügte RTL Deutschland mit RTL+ über ein Videostreamingangebot, das Gegenstand der Untersuchung war. Mittlerweile bietet RTL+ auch Musik als Streamingangebot. Auch hier erfolgt eine Codierung und anschließende Verteilung über Content-Delivery Netzwerke. Die weitaus geringeren Datenmengen beim Audiostreaming sowie die Nutzung primär auf mobilen Geräten und Smart-Devices führen grundsätzlich jedoch zu deutlich geringeren Emissionen.
Die Autoren der Studie »Carbon Footprint Analysis of the RTL+ Video Streaming Service«:
- Dr.-Ing. Max Bläser, Media Engineer Streaming Technology Cologne Broadcasting Center GmbH, RTL Deutschland, Köln
- Sascha Sadowski, Director Streaming Technology, Cologne Broadcasting Center GmbH, RTL Deutschland, Köln
- David Allum, Senior Controller, RTL Deutschland GmbH, Köln
- Mark Fabisch, Senior Director Corporate Responsibility, Bertelsmann SE & Co. KGaA, Gütersloh
- Frank Heineberg, VP Standards & Innovation, Cologne Broadcasting Center GmbH, RTL Deutschland, Köln