Der endlose Kampf um »Das Boot«
Teile der Auseinandersetzung um die Urhebervergütung für »Das Boot« an den DoP Jost Vacano schwelen immer noch.
Laut einer Pressemitteilung von Bavaria Film und EuroVideo, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, ist der Rechtsstreit mit DoP Jost Vacano beendet. Dort heißt es, die Unternehmen hätten »die seit 2008 währende, gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kameramann Jost Vacano bezüglich der Urheberbeteiligung gem. § 32a UrhG beendet.«
Für die Nutzungen des Films bis zum 31. Dezember 2021 zahlt demnach die Bavaria Film rund 270.000 Euro, die EuroVideo zahlt bis Ablauf ihrer Lizenzzeit (31. Dezember 2018) rund 192.000 Euro (beides jeweils zuzüglich Zinsen und Umsatzsteuer) an Jost Vacano.
Der Kläger Vacano und sein Anwalt sehen das aber anders: Vacano habe der Beendigung des Verfahrens nicht zugestimmt. Es habe kein Angebot über die Zahlung der genannten Summen gegeben und es gebe auch keine außergerichtliche Einigung oder einvernehmliche Beendigung des Verfahrens. Eine nächste Anhörung ist für Oktober 2022 geplant.
Vacano ist mittlerweile 87 Jahre alt und prozessiert somit seit mehr als 14 Jahren um die Urheberbeteiligung an »Das Boot«. Und nun geht der Kampf von Jost Vacano, dessen filmisches Schaffen erst kürzlich beim Filmfestival Camerimage geehrt wurde (Meldung), offenbar weiter. Obwohl Vacano auch viele andere, bekannte Filme als DoP realisierte (Infos), ist »Das Boot« somit wahrscheinlich der Film, der ihn am längsten beschäftigt und umtreibt — ob er will oder nicht.
Der lange währende juristische Kampf mit mehreren parallel laufenden Verfahren um »Das Boot« (Hintergrund und mehr dazu hier) schien im vergangenen Jahr in die Endphase zu gehen. Damals wurde eine in Stuttgart anhängige Klage gegen die ARD-Anstalten mit einem Vergleich abgeschlossen, den das Oberlandesgericht Stuttgart vorgeschlagen hatte — und dem beide Seiten zugestimmt hatten. 160.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer erhielt Vacano und sagte damals: »Nach eineinhalb Jahrzehnten Kampf mit hohem persönlichen Einsatz bin ich froh, die Klage in Stuttgart gegen die ARD-Anstalten als erledigt ansehen zu können.«
Die Erwartung war, dass nun auch die Prozesse gegen Bavaria Film und EuroVideo bald abgeschlossen würden. Aber nun geht es offenbar weiter: Jost Vacano wurde nach seinen Angaben in Bezug auf die von Bavaria Film und EuroVideo in deren Pressemitteilung genannten Zahlen und einer außergerichtlichen Einigung gar nicht konsultiert.
Der Berufsverband Kinematografie BVK, dessen Ehrenmitglied Jost Vacano ist, vermutet dahinter eine taktische Maßnahme der Beklagten: Die wollen demnach kein Urteil, weil dieses als Maßstab mit grundsätzlicher Bedeutung wirken könnte — und dann könnten Urhebervergütungen höher ausfallen.
Zwar wurde grundsätzlich gesetzlich der sogenannte »Fairnessparagraf« eingeführt: Demnach steht, wenn zwischen der ursprünglichen Vergütung und den im weiteren Verlauf erzielten Erträgen ein »auffälliges Missverhältnis« besteht, dem Urheber eine nachträgliche »angemessene Beteiligung« zu. Für die konkrete Ausgestaltung werden im Normalfall sogenannte »Gemeinsame Vergütungsregeln« zwischen den Rechteinhabern und den filmschaffenden Urhebern vereinbart. In diesem Bereich gibt es durchaus immer wieder Verhandlungen und auch Einigungen, etwa zwischen der Gewerkschaft Verdi und verschiedenen Rechteinhabern über Urhebervergütungen (Beispiel).
Dazu muss man aber wissen: Der BVK findet einerseits, dass bei diesen Abschlüssen die Rechteinhaber viel zu billig davonkommen, außerdem spricht der BVK der Gewerkschaft Verdi grundlegend ab, überhaupt der richtige Urheber-Ansprechpartner für die Rechteinhaber zu sein — zumindest für die Kameraleute. Daher vermutet der BVK, dass die Öffentlich-Rechtlichen — und somit die Bavaria Film — ein Urteil in der Auseinandersetzung mit Vacano vermeiden wollen, damit dieses nicht als Maßstab für künftige Verhandlungen verwendet werden könnte.
Ist »Das Boot« also letztlich heute auf einer ganz anderen Art von »Feindfahrt« unterwegs?