IBC, Messe: 18.11.2021

Unmut unter IBC-Ausstellern wächst

Etliche IBC-Aussteller äußern Unmut über die Entscheidung zur Durchführung der IBC2021.

IBC, Logo
In diesem Jahr ziemlich umstritten: Soll die IBC2021 stattfinden?

Die Entscheidung der Veranstalter, die IBC2021 durchzuführen, spaltet die Branche — aber keineswegs in gleich große Teile.

film-tv-video.de befragte etliche Brancheninsider und Aussteller mit dem Ziel, ein Stimmungsbild aus deren Überlegungen und Einschätzungen einzufangen. Das Ganze ist keinerlei repräsentative Umfrage und auch keine Befragung auf großer Basis, deshalb will die Redaktion das von film-tv-video.de erfasste Bild auch gar nicht mit Prozentzahlen dekorieren. Was sich aber definitiv zeigt: Unter den Befragten gibt sehr viel mehr Bedenken, Unmut und Unverständnis über die Entscheidung des Veranstalters als Zustimmung.

IBC2021, Screenshot
Reichen die Regeln, oder nicht? Das muss jeder selbst beurteilen.

Es zeigte sich auch, dass Corona insgesamt ein sehr hohes, auch unterschwelliges Konfliktpotenzial birgt — die Lage wirkt aufgeheizt: Viele, mit denen film-tv-video.de sprach, wollten nicht namentlich genannt oder zitiert werden. Wahrscheinlich aus einer mittlerweile nicht ganz unberechtigten Furcht, Kunden aus dem Pro- oder Contra-Lager zu verprellen — und/oder von vornherein fruchtlosen Diskussionen oder Shitstorms auszuweichen.

IBC2013, Foto, Eingangsbereich
Bei der IBC2013, von der dieses Foto stammt, waren laut Veranstalter knapp 53.000 Menschen in den Messehallen unterwegs.
Die zentrale Frage lautet: Hätte die IBC2021 nicht besser abgesagt werden sollen?

»Uns droht eine dysfunktionale Messe, bei der die Besucher wegbleiben werden — und die Kosten bleiben komplett an den Ausstellern hängen«, befürchtet einer der Gesprächspartner von film-tv-video.de, der aber lieber nicht genannt werden möchte.

Tatsächlich würde eine offizielle Absage des Veranstalters eine zumindest moralische, vielleicht sogar juristische Pflicht verursachen, Ersatzleistungen anzubieten — und dem will die IBC ganz offenbar ausweichen. Die Logik: Wenn die Messe durchgezogen wird, hat der Veranstalter seine Schuldigkeit erbracht, und es ist Sache der Aussteller, wenn sie nicht teilnehmen wollen. Letztlich geht es also ums Geld.

Ein anderer Befragter geht nicht weniger hart ins Gericht mit dem Veranstalter: »Die IBC will in erster Linie sich selbst retten und hängt sich das Mäntelchen um, sie tue das für die Branche.« Aber auch dieser Befragte will nicht namentlich zitiert werden.

IBC2021, Screenshot
Screenshot von der IBC-Website.

Mehrere Befragte zeigten sich überrascht, dass die IBC das Risiko auf sich nimmt, doch noch zu scheitern: Es könnte doch leicht passieren, dass die niederländische Regierung die Regeln weiter verschärft, vielleicht sogar unmittelbar vor der Eröffnung der Messe. Ein anderer spekulierte: Legt es der Veranstalter sogar bewusst darauf an, dass die Veranstaltung von den Behörden verboten wird, weil dann der Veranstalter nicht schuld ist und auch nicht haften oder Ersatzleistungen anbieten muss?

So oder so berichteten quasi alle Kontaktierten, dass sehr viele Kunden, Besucher und Partner eindeutig signalisierten, dass sie in diesem Jahr nicht nach Amsterdam reisen werden. Gehen der IBC2021 tatsächlich die Besucher aus? Wird es eine Geister-IBC, bei der sich nur ein paar wenige, reduzierte Standmannschaften gegenseitig besuchen können?

IBC2012, Außen
Das RAI wird eingezäunt, es soll Pre-Checks und strenge Einlasskontrollen geben.
Andere Umfragen

Darauf deuten zumindest auch die Ergebnisse einer IABM-Umfrage hin. Der Herstellerverband, der auch selbst an der IBC beteiligt ist, startete eine Umfrage zur IBC-Teilnahme. Bis zum 17. November 2021 hatten 1.359 Personen teilgenommen. 65,7 Prozent der Befragten sagten, dass sie die Messe nicht besuchen werden, und nur 18,9 Prozent, dass sie es tun werden. Das gelte für Aussteller wie auch für Besucher gleichermaßen, so der IABM, der die Umfrage weiter aktualisiert und hier die Ergebnisse zeigt. 

Am Donnerstagmorgen verschickte nun übrigens auch die Messe eine Mail, in der sie zwar weiter bekräftigte, dass die Messe stattfinden werde — gleichzeitig wurde aber beim Empfänger abgefragt, ob man kommen werde, unentschlossen sei oder nicht teilnehmen werde.

Contra: Keine IBC in dieser Lage.
DHD-Audio, Logo
DHD-Audio stellt bei der IBC2021 nicht aus.

Eine klare Ansage machte etwa der deutsche Audiohersteller DHD und sagte seine Messebeteiligung gab. Das Unternehmen gab schriftlich »aufgrund der aktuellen Situation in Amsterdam und den Niederlanden seinen Rückzug von der IBC 2021« bekannt. Die DHD-Geschäftsführung: »Wir fühlen uns nicht berechtigt, Mitarbeiter, Partner und Kunden zu bitten, an der diesjährigen Messe teilzunehmen. Wir hoffen, alle unsere Partner und Kunden auf der IBC 2022 oder in anderen Formaten wie Online-Meetings oder entsprechend abgesicherten persönlichen Besuchen wiederzusehen.«

Aspectra, Logo
Distributor Aspectra: »raten derzeit davon ab, nach Amsterdam zu reisen.«

Auch Aspectra (Marken: PAG, Camgear und Camrade) hat seine Partner schriftlich informiert, dass das Unternehmen bei der IBC2021 nicht ausstellen wird. Aspectra erläuterte unter anderem: »In den Niederlanden, dem Heimatland von Aspectra, ist die Zahl der Covid-19-Infektionen derzeit höher als in anderen Ländern, und der Druck auf die Krankenhäuser steigt enorm. Wir raten derzeit davon ab, nach Amsterdam zu reisen, werden aber die Entwicklungen in den nächsten drei Wochen genau verfolgen und dann entscheiden, ob einige unserer Teammitglieder als Besucher der Messe in Amsterdam anwesend sein werden.

Schon lang im Vorfeld der Messe hatten Sony (Meldung) und Ross (Meldung) abgesagt und das auch offen kommuniziert. Auch Arri hat das schon länger entschieden, gibt dazu aber keinen weiteren Kommentar ab. Viele andere Unternehmen haben das offenbar ebenfalls beschlossen, kommunizieren das aber gleichfalls nicht nach außen. Dem Vernehmen nach werden etwa auch Canon, Cooke und LiveU bei der IBC2021 nicht ausstellen, im Ausstellerverzeichnis werden sie aber weiterhin gelistet.

Arvato sieht die IBC2021 »eher kritisch«.

Arvato Systems sagt: »Aufgrund der derzeitigen pandemischen Lage hat sich Arvato Systems bereits frühzeitig dazu entschieden, nicht mit einem eigenen Stand auf der IBC 2021 präsent zu sein. Diese Entscheidung, die unserem Unternehmen nicht leicht gefallen ist, haben wir vor allem in Bezug auf die Gesundheit unserer Mitarbeiter getroffen, die selbstverständlich höchste Priorität besitzt. Auch wenn der Wunsch nach Networking und persönlichen Treffen in der Branche nachvollziehbarer Weise sehr hoch ist, möchten wir hier keine Risiken oder Kompromisse eingehen. Auch unsere Kunden äußern sich aktuell sehr verhalten, so dass sich Termine und ein Austausch schwer bis kaum planen lassen. Vor dem Hintergrund des aktuell verhängten Teil-Lockdowns in den Niederlanden sehen wir es daher eher kritisch, diese unter anderen Umständen so populäre Branchenmesse in diesem Jahr stattfinden zu lassen.«

Unter den allermeisten direkt Befragten gab es zumindest deutliches Murren und Unmut über die IBC-Entscheidung. Einige fanden die Entscheidung, die IBC2021 durchzuführen, »unseriös«, andere »verantwortungslos« und hoffen gar, »dass der holländische Staat durchgreift«, die Messe verbietet »und diesen Spuk beendet«. Im folgenden einige exemplarische Statements:

Martin Kreitl, Geschäftsführer, Band Pro Munich
Martin Kreitl, Geschäftsführer von Band Pro Munich.

Martin Kreitl, Geschäftsführer von Band Pro Munich spricht Klartext: »Eine Veranstaltung wie die IBC in einer Zeit wie dieser aus rein wirtschaftlichen Interessen einfach so ‚durchzudrücken‘ während eines Lockdowns, finde ich unverantwortlich, um nicht zu sagen unanständig.«

Robert Kis, Geschäftsführer von TV Skyline
Robert Kis, Geschäftsführer von TV Skyline.

Robert Kis, Geschäftsführer von TV Skyline: »Die IBC wird mich dieses Jahr wohl eher nicht sehen. Viele Absagen von Herstellern und egal mit wem man in den letzten Tagen und Wochen gesprochen hat: entweder Absage oder noch unentschlossen, ob man vor Ort sein wird. Der Grund für einen Messebesuch ist für mich einerseits, mich über neue Technologien zu informieren, spannende Dinge zu entdecken. Aber andererseits und noch viel wichtiger: Menschen zu treffen — Entscheider, Partner, Kunden. Und wenn davon weniger oder kaum welche vor Ort sind, treffe ich lieber Kunden in diesen Tagen individuell oder bin bei einer unserer Produktionen vor Ort: Schließlich startet Anfang Dezember für uns die Wintersport-Saison.«

Axel Moschkau, Geschäftsführer, KST Moschkau GmbH
Axel Moschkau, Geschäftsführer der KST Moschkau GmbH.

Axel Moschkau, Geschäftsführer KST Moschkau GmbH: »Wir sind da etwas hin und her gerissen. Wir wissen, wie wichtig die Messe eigentlich aktuell sein könnte, sehen aber auch, dass nahezu alle unserer Kernpartner nicht vor Ort sind. Wir werden daher also als Aussteller ebenfalls nicht teilnehmen und — ehrlich gesagt — uns und andere bei den aktuell steigenden Corona-Zahlen nicht dem Risiko einer Infektion durch einen Aufenthalt als Besucher aussetzen. Wir setzen lieber auf kleine, effektive Kundentermine unter kontrollierbaren 2G-Bedingungen hier im KST-IC. Die haben für den Interessenten und auch für uns einen erheblichen Mehrwert.«

Christoph Aust, Sales Director, Bebob
Christoph Aust, Sales Director bei Bebob:

Christoph Aust, Sales Director bei Bebob: »Bebob war jahrelang Aussteller auf der IBC, und die Messe gehört für uns nach wie vor zu den wichtigsten im Broadcast-Bereich. Der Zeitpunkt Anfang Dezember erschien uns dieses Jahr aber nicht optimal — ganz ungeachtet der steigenden Inzidenzen, die nun aktuell den Erfolg der Messe gefährden. Wir haben uns daher schon im Sommer gegen einen eigenen Messeauftritt auf der IBC entschieden — freuen uns aber sehr, dass unser Partner Vocas dort einige unserer neuen Produkte zeigen wird.«

Thomas Mau, Prokurist und Vertriebsleiter, Mediatec
Thomas Mau, Prokurist und Vertriebsleiter von Mediatec.

Thomas Mau, Prokurist und Vertriebsleiter, Mediatec: »Wir halten eine IBC zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll. Zum einen ist das Wochenende ungünstig gewählt. Das Jahresendgeschäft ist sehr eng getaktet, und da bleibt eigentlich keine Zeit, Mitarbeiter für eine Messe abzustellen, denn wir möchten erst einmal die Aufträge unserer Kunden sorgfältig abwickeln. Des weiteren sind die Fallzahlen trotz 100%iger Impfquote bei unserer Belegschaft trotzdem besorgniserregend, und vor den Weihnachtstagen möchte sich hier auch keiner mehr anstecken. Darüber hinaus warten wir durch die schlechte Liefersituation teilweise seit Monaten auf bestimmte Produkte. Hier stellt sich eh die Frage, ob das dann  der richtige Zeitpunkt ist, um neue Produkte vorzustellen.«

Im Zwiespalt: Mal sehen, was noch kommt.

Viele Befragte waren im Zwiespalt, rangen noch um eine offene Entscheidung, wollen »die Lage weiter beobachten«: Hingehen, oder lieber doch nicht?

Ralf Pfeffer, Vorstandsvorsitzender, Teltec
Ralf Pfeffer, Vorstands-vorsitzender von Teltec.

Ralf Pfeffer, Vorstandsvorsitzender von Teltec erläutert die Überlegungen der Unternehmensgruppe: »Unser Stimmungsbild ist so diffus wie die zugrundeliegende Situation. Manche von uns hatten sich irgendwie auf eine ‚Rumpf-IBC‘ gefreut, um mal wieder einerseits Technik zu erleben, aber andererseits auch das lang vermisste Socializing zu betreiben. Insoweit wollten wir mit kleiner Mannschaft nach Amsterdam reisen, ohne große Erwartungen zu hegen. Umständehalber wird die Mannschaft nun noch kleiner und die Erwartungen werden noch geringer ausfallen.«

Maximilian Below, Geschäftsführer von MCI.
Maximilian Below, Geschäftsführer von MCI.

Maximilian Below, Geschäftsführer von MCI: »Die IBC gehört natürlich für uns zu den ‚Must-Have‘-Events und ist und bleibt damit fester Bestandteil unserer aller Kalender. Die verbindliche Planung in diesem Jahr fiel natürlich schwer, da hat auch der auf Dezember verschobene Termin nicht gerade geholfen. Die IBC steht eben auch für viele Begegnungen und Internationalität — gerade einfach nicht passend. Aufgrund der steigenden Inzidenzen werden Weihnachtsfeiern leider wieder infrage gestellt. Ich fürchte, dass dies mindestens auch für die IBC zutreffen wird, was ich selbstverständlich sehr bedauere.«

Michael Thielen, VP Radio Solutions, Michael Pfitzner, VP Newsroom Solutions, CGI
Michael Thielen, VP Radio Solutions, und Michael Pfitzner, VP Newsroom Solutions, beide von CGI.

Michael Thielen, VP Radio Solutions, und Michael Pfitzner, VP Newsroom Solutions, beide von CGI: »CGI ist in der aktuellen Lage der Pandemie, bei der die Inzidenzzahlen eher steigen als sinken, sehr überrascht über die Entscheidung der IBC.  Aufgrund der aktuellen Situation sind die zu erwartenden Besucherzahlen und somit der Wert der Messe für uns als Aussteller schwer einzuschätzen. Das Wohlergehen unserer Mitarbeiter und auch unserer Kunden und Freunde steht für CGI an erster Stelle. Genau aus diesem Grund beobachten wir die aktuelle Lage sehr genau und werden alles tun, um ein Gleichgewicht aus Nutzen und Risiko in Bezug auf die IBC 2021 sicherzustellen.“

IBC2021, Screenshot
Die Regeln wurden verschärft. Die Befürworter finden, das wird reichen, um Sicherheit zu gewährleisten.
Pro: Richtig so, wir gehen hin.

Aber es gibt auch klare Befürworter: »Die Messe ist wichtig, und wir haben volles Vertrauen darin, dass sie sicher durchgeführt werden wird«, sagte einer der Kontaktierten, der nicht namentlich zitiert werden will.

Markus Osthaus, Geschäftsführer, TVN Group
Markus Osthaus, Geschäftsführer der TVN Group.

Markus Osthaus, Geschäftsführer, TVN Group: »Uns ist wichtig, dass in der Broadcast-Branche wieder ein direkterer Austausch geschieht. Wir würden also hinfahren, wenn die IBC stattfindet – und relevante Aussteller vertreten sind.«

Auch der Verband Sports Video Group unterstützt und wirbt für die IBC2021, unter anderem mit dem unten stehenden Banner.

IBC2021, Banner
Ein Werbebanner der IBC für die IBC2021.

 

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