Streaming: 13.07.2021

Open Caching: Erholung für überlastete Netze

Videostreaming macht einen großen Teil des Datenverkehrs im Internet aus. Mit Open Caching können Internet Provider Inhalte näher beim Endnutzer zwischenspeichern und eine bessere Videoqualität liefern, ohne Infrastrukturen zu überlasten.

Der VoD-Markt boomt und wird bis 2027 voraussichtlich um durchschnittlich fast 15 Prozent pro Jahr auf knapp 160 Milliarden Dollar anwachsen. Kein Wunder also, dass immer mehr neue Streaming-Dienste auf den Markt kommen. Doch die große Popularität der bewegten Bilder im Internet wird zunehmend zur Belastungsprobe für die Infrastruktur von ISPs. Ihre Netze können die enormen Datenmengen bisweilen nicht mehr bewältigen, die Videowiedergabe beim Endnutzer stockt und ruckelt.

Während der ersten Corona-Welle im vergangenen Jahr schnellte die Nutzung von Videostreams so massiv nach oben, dass große Anbieter wie Amazon, Netflix und YouTube die Videoqualität reduzierten. Damit schafften sie zwar Entlastung für die Netze und ermöglichten eine flüssige Wiedergabe – wegen der geringeren Bildauflösung war das Benutzererlebnis dennoch nicht optimal.

©Ateme
Open Caching regelt die Kommunikation zwischen CDN-Infrastruktur, den Systemen von ISPs und den Caching-Knoten.

Um ihre Inhalte mit hoher Qualität und geringer Latenz auszuliefern, benötigen Content-Provider leistungsfähige Caches in der Nähe der letzten Kilometer bis zum Endnutzer. Das ist allerdings ein sehr teures und zeitaufwändiges Unterfangen. Daher setzen die Provider vielfach auf Partnerschaften mit lokalen ISPs, die eigene CDNs betreiben, um ihre Netzwerke zu schonen. Doch um die CDNs der vielen regionalen ISPs anzusprechen und mit Inhalten zu versorgen, müssen Content-Provider viele Schnittstellen pflegen. Die Vielzahl der APIs und deren komplexes Management waren in der Vergangenheit einer der Gründe, warum sich Streaming-Anbieter oft schwertaten, mit ihren Abo-Diensten in neue Märkte vorzustoßen.

Zwar arbeitet die Internet Engineering Task Force (IETF) an einheitlichen Spezifikationen für die Verknüpfung von CDNs, ihr Ansatz ist allerdings sehr breit angelegt und für einige Einsatzbereiche wie Videostreaming nicht besonders gut geeignet. Die Streaming Video Alliance (SVA), in der sich Content-Provider, ISPs, Cloud-Spezialisten, CDN-Betreiber und Software-Anbieter zusammengeschlossen haben, entwickelt deshalb in ihrer Open Caching Working Group eigene Spezifikationen für die standardisierte Verbindung von CDNs für das Streaming von Videos.

Autor Damien Lucas ist Chief Product Owner bei Ateme.
Alle Beteiligten profitieren

Im Grunde geht es bei Open Caching darum, die Interoperabilität von Caching-Systemen sicherzustellen, sodass alle Caches, die die Spezifikation unterstützen, reibungslos zusammenarbeiten, um Inhalte auszutauschen, zu speichern und auszuliefern. Dadurch können Content-Provider leichter mit ISPs kooperieren und einfach zu verwaltende Multi-CDN-Ökosysteme aufbauen, um neue Regionen zu erschließen, nachdem die großen Märkte zunehmend gesättigt sind und der Wettbewerbsdruck dort steigt. Sie speichern ihre Inhalte in den Caches lokaler ISPs zwischen, um sie verzögerungsfrei mit der hohen Videoqualität auszuliefern, nach der die Nutzer heute verlangen.

ISPs wiederum managen den Datenverkehr in ihren Netzen besser und sorgen dafür, dass ihre Kunden auch in Spitzenzeiten am Wochenende oder in den Abendstunden und in Zeiten erhöhter Nachfrage wie während der Lockdown-Phasen der Pandemie hohe Bandbreiten nutzen können. Zudem erschließen sie neue Umsatzchancen, indem sie Content-Providern komfortabel einzubindende Plug-and-Play-CDN-Services bieten.

Dank Open Caching kommt bei den Endkunden mehr Bandbreite an.
Standardisierter Informationsaustausch

Open Caching regelt den Informations- und Datenaustausch zwischen Open Cache Nodes (OCNs), CDN Open Cache Controllern (CDN OCCs) und Service Provider Open Cache Controllern (SP OCCs). Die einzelnen Spezifikationen beschreiben beispielsweise, wie sich die Systeme authentifizieren, wie sie die Netzwerkperformance, Bandbreiten und Speicherkapazitäten berechnen oder ihre Konfigurationen anpassen.

Die Inhalte lagern dabei in der Nähe der Endkunden auf den von ISPs betriebenen Open Cache Nodes, deren Steuerung die Service Provider Open Cache Controller übernehmen. Mit diesen SP OCCs handeln die CDN Open Cache Controller von Content-Providern oder spezialisierten CDN-Betreibern aus, welche Anforderungen an die Datenbereitstellung bestehen und an welchen OCN sie den Datenverkehr delegieren. Die SP OCCs konfigurieren die Knoten dann entsprechend.

Einige Spezifikationen wie die »Open Caching Relayed Token Authentication« und die »Open Caching Performance Measurement Specification« hat die Open Caching Working Group im vergangenen Jahr fertiggestellt, andere wie die »Configuration and Meta-Data API« sollen in den kommenden Wochen und Monaten folgen. Obwohl die Arbeiten noch laufen, stößt Open Caching bereits auf breites Interesse im Markt – einige der wichtigsten Streaming Anbieter und ISPs wollen auf die Spezifikationen setzen, darunter Disney+ und British Telecom. Für die Streaming Video Alliance kommt es nun darauf an, dieses Momentum zu nutzen und Open Caching als Industriestandard zu etablieren.