BBC Global News wächst
Nachrichten waren 2020 so gefragt wie nie. Chris Davies von BBC Global News erklärt im Gespräch mit film-tv-video.de Hintergründe dieser Entwicklung.
Dass die Nachfrage nach digitalen Nachrichten von der BBC während der Pandemie ein so starkes Wachstum erlebte, wird die meisten nicht überraschen. Es gab aber auch bei den linearen TV-Nachrichten enorme Zuwächse bei den Zuschauern. Für ein Medium, dem schon längst ein Tod auf Raten prognostiziert wurde, ist das das eine erstaunliche Entwicklung.
Pandemie, Brexit, Black Lives Matters und die Wahlen in den USA haben dazu geführt, dass sich offenbar ein größeres Publikum wieder auf Fernsehen als Hauptnachrichtenquelle verlässt.
Der jüngste Digital News Report des Reuters Institute zeigt diese Änderung der Präferenz. Die vor und nach der Pandemie befragten Zuschauer zeigten zwischen Ende Januar und Anfang April einen durchschnittlichen Präferenzwechsel von zwölf Prozentpunkten von Online zu TV.
Was sind die Gründe dafür und was folgt daraus? Das erläutert Chris Davies, Executive Vice President Marketing und Vertrieb bei BBC Global News im folgenden Text.
Für die BBC bedeutete dies einen starken Anstieg der Anzahl unserer Partner, die BBC World News mehr Kunden zur Verfügung stellen wollen. Auf dem Höhepunkt des Ausbruchs des Coronavirus war der Kanal in rund einer halben Milliarde Haushalten weltweit verfügbar.
In Großbritannien waren es sogar 20%. Laut Angaben des Software-Lösungsanbieters Mirada stieg die Gesamtnutzung von Fernsehnachrichten zwischen dem 1. Februar 2020 und dem 30. April 2020 weltweit um 24%. Aber was treibt diesen Anstieg des Fernsehkonsums an und wie können Rundfunkveranstalter ihre Verbreitung steigern, um dieser Zunahme des Publikums Rechnung zu tragen?
Chris Davies glaubt, dass sich die Zuschauer unter anderem deshalb bevorzugt ans Fernsehen gewendet haben, weil sie hier fertige Beiträge sehen können, die unterschiedlichste Facetten einer Entwicklung liefern. Sie bekommen gewissermaßen die fertige Story, während sie im Internet zwar Unmengen an einzelnen Informationen erhalten, aber die Zusammenhänge und die eigentliche Story letztlich selber finden und kombinieren müssen.
Davies führt aber auch ganz pragmatische Gründe für die Veränderungen im Nutzungsverhalten an. Dass viele Menschen im Home Office arbeiten und sich im Verlauf der Pandemie einen neuen Tages- und Arbeitsrhythmus erarbeitet haben, führte aus seiner Sicht dazu, dass manche das Fernsehen wieder in ihren Tagesablauf integriert und sich auf diesem Weg über aktuelle Entwicklungen informiert haben.
»Im Grunde haben wir das Fernsehen diesen Leuten wieder neu ins Bewusstsein gerufen«, findet Davies. Mitgeholfen habe dabei sicher, dass etwa BBC World News mittlerweile auch auf unterschiedlichsten Plattformen verfügbar sei, etwa auf dem Youtube-TV-Network, sagt Davies. Per OTT abrufbar zu sein, sei heutzutage unabdingbar für einen Nachrichtensender.
Der hohe Nutzerzuwachs hat für BBC Global News aber auch noch andere Hintergründe. So verzeichnete der News-Anbieter im Verlauf der US-Wahlen besonders hohe Zuwächse in den USA. Wohl auch deshalb, weil Fox News und CNN in den USA eine andere Form der Berichterstattung pflegen, die viel mehr Partei ergreift. Objektivität und die gleichwertige Darstellung unterschiedlichster Meinungen sind hingegen Leitlinien, denen sich die BBC auch und gerade in Zeiten von Fake News verpflichtet fühlt. »Ich glaube, dass es durchaus ein Publikum gibt, das nur die Fakten und keine Meinungsmache möchte«, sagt Davies – das habe man bei den Abrufen aus den USA definitiv feststellen können. (Ergänzende Meldung hierzu: BBC: vertrauenswürdigste Nachrichtenmarke in den USA),
Sich auf Fakten zu konzentrierten, sieht Davies als wichtiges Mittel, Vertrauen wieder aufzubauen, das in Zeiten von Social Media bei vielen Leuten verloren gegangen sei. Anbieter wie Facebook oder Twitter seien mittlerweile zwar dazu übergangenen, Falschinformationen zu kennzeichnen, aber letztlich nur in Teilbereichen. Hier könne eine vertrauensvolle und etablierte Nachrichtenquelle wie die BBC punkten. Doch auch ganz generell attestieren Umfragen bei Nutzern dem Medium Fernsehen mehr Vertrauen als etwa Social Media, so Davies.
Fake News sind deshalb aber noch lange nicht aus der Welt. Aus diesem Grund arbeite die BBC mit den großen Social-Media-Unternehmen in einer Initiative zusammen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Fake News auf deren Plattformen auf breiter Basis zu identifizieren und zu markieren. Facebook Watch sei auf dieser Basis entstanden, und auch selbst betreibe die BBC einen enorm hohen Aufwand, um falsche Nachrichten zu identifizieren. Dafür gibt es bei der BBC das Reality Check Team, dessen Aufgabe es ist, fragwürdige News zu prüfen. Bevor etwas veröffentlicht werde, gebe es mindestens drei Prüfungen, die ermitteln, ob die News stimme und die Quelle vertrauenswürdig sei, erklärt Davies. »Erst dann geht ein Youtube-Video oder ein user-generated Content bei BBC World News online«, so Davies. (Ergänzendes Interview hierzu: BBC World News: Fake or Real?)
Trauriger Fakt ist allerdings auch, dass Zuschauer zwar mehr denn je vertrauenswürdige Nachrichtendienste nutzen, deren Einnahmen inmitten der Pandemie allerdings empfindlich getroffen wurden. Vor allem zu Beginn der Pandemie stürzten Werbeeinnahmen der TV-Sender massiv ab.
Seriöser Nachrichtenjournalismus kostet aber nun mal Geld, und wo er nicht unabhängig von Werbegeldern finanziert ist, leidet er, wenn die Werbeeinnahmen wegbrechen. Das bestätigt Davies, sagt aber gleichzeitig, dass sich auch neue Möglichkeiten eröffnet hätten. Ein Beispiel: Kunden aus dem Tourismusbereich seien angesichts der Pandemie weggebrochen, Technologiekunden hingegen dazugekommen, weil sie angesichts des hohen Bedarfs an Digitalisierung hohe Zuwächse verzeichnen konnten.
Auf die Frage nach der Zukunft von Nachrichten antwortet Davies, dass TV-News aus seiner Sicht noch lange Bestand haben werden – so wie übrigens auch die Sportberichterstattung, findet Davies. Die Unterhaltungsindustrie hingegen sei von neuen Angeboten und Distributionsformen viel eher betroffen, weshalb sich der Entertainment-Bereich entsprechend verändern müsse. News und Sport seien hingegen Live-Angebote, die derzeit nur das Fernsehen adäquat bieten könne. TV-Nachrichten würden daher für viele Jahre resilient bleiben, meint Davies. Nichtsdestotrotz müsse man die Möglichkeiten nutzen, die digitale Plattformen böten, schließt Davies. »Digitale Auswertungen werden Fernsehnachrichten nicht verdrängen, sondern ergänzen, zumal die Technik ohnehin verschmilzt.«
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