Programm Filmfest München 2019
Das 37. Filmfest München zeigt rund 180 aktuelle Filme aus 62 Ländern, darunter 118 Deutschlandpremieren und 48 Weltpremieren. Mit dem CineMerit Award ausgezeichnet werden in diesem Jahr Antonio Banderas und Ralph Fiennes.
Eröffnungsfilm ist Riley Stearns Komödie »The Art of Self-Defense« mit Jesse Eisenberg in der Hauptrolle. Als Themenschwerpunkte kristallisieren sich vor allem alternative Realitätskonzepte und innovative Variationen des internationalen Genrekinos heraus.
Im Spiegel der Realität
Auf dem 37. Filmfest München beschäftigen sich viele Filmemacher mit eigenwilligen Realitätsutopien – und greifen dabei immer wieder gesellschaftspolitische Themen und Motive auf, die in allen möglichen Formen und Facetten erzählt werden.
Wie werden im aktuellen politischen Klima Realitäten und Wahrheiten konstruiert und hinterfragt? Dafür bieten die internationalen Filmemacher unterschiedliche Ansätze an: Sie thematisieren ganz konkret soziale Missstände, wie die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich sowie die Gründe und Folgen globaler Migrationsströme. Cannes-Gewinner »Parasite« von Bong Joon Ho verhandelt gesellschaftliche Ungleichheiten unter dem Deckmantel eines spannenden Genrefilms. Ladj Lys »Les Misérables« thematisiert die zunehmende Frustration marginalisierter Bevölkerungsgruppen, deren emanzipatorische Bewegungen sich gewaltsam ihren Weg bahnen.
Neben Migration ist auch Rassismus ein zentrales Thema, so etwa in Isaki Lacuestas »Entre dos aguas« sowie den mittel- und südamerikanischen Produktionen »Perro Bomba« und »Luciérnagas«. Das diesjährige Filmfest-Programm zeigt die globale Dimension dieser politischen Kämpfe gegen Ausbeutung und Diskriminierung, die nicht selten in kolonialistischen Strukturen verwurzelt sind, wie beispielsweise in Markus Schleinzers »Angelo«. Phänomene, die sich derzeit insbesondere, aber nicht nur in den USA beobachten lassen, sind die politische Spaltung, Diskriminierung von Minderheiten und der Rückzug ins Private.
Mike Leigh plädiert in »Peterloo« für ein demokratisches Mitspracherecht. Der italienische Regisseur Roberto Minervini geht in »What You Gonna Do When The World’s On Fire?« tief verwurzelten rassistischen Strukturen in seiner Wahlheimat USA auf den Grund. Die eigene Perspektive afroamerikanischer Filmemacher ergänzt die von Arthur Jafa kuratierte Filmreihe »A Peculiar Vantage: A Selection of Black Cinema«.
Die Grenzen von Fiktionalität und Realität verschwimmen bei dem dänischen Filmemacher Mads Brügger. Mit seinen Dokumentarfilmen deckt er soziale Missstände auf, ganz aktuell in »Cold Case Hammarskjöld«. Generell verarbeiten viele Regisseure das Weltgeschehen in bildgewaltigen dokumentarischen Formen, darunter etwa Alison Klaymans »The Brink«, Nanni Morettis »Santiago, Italia« oder Eyad Aljarods »The Greatest Sacrifice«.
Die Flucht in fantastische Welten wählen dagegen Mark Webbers »The Place of No Words«, der ein Paralleluniversum voller magischer Kreaturen entwirft, und die dystopische Fabel »Mär« von Katharina Mihm aus der Sektion Neues Deutsches Kino. Fantasie ist selbstverständlich auch das bestimmende Element in den Beiträgen des Kinderfilmfests, wo kleine Alltags- und Superheld*innen die Welt entdecken und retten, aber auch ganz reale Probleme von Kindern verhandelt werden.
Welchen Einfluss haben neue Technologien auf unseren Alltag? Gleich drei Filme setzen sich mit dieser Frage, insbesondere nach der Allgegenwart von Social Media, auseinander: Von selbstverständlicher Alltäglichkeit in Bo Burnhams »Eighth Grade« und in Emily Cohns »CRSHD« über professionalisierte Selbstdarstellung wie in Liza Mandelups »Jawline« bis hin zu obsessivem Realitätsverlust wie in dem Familiendrama »Play« von Philip Koch. Virtuelle Welten werden nicht nur in diesem Film aus der Reihe Neues Deutsches Fernsehen aufgegriffen, sondern mit der VR-Ausstellung Virtual Worlds erlebbar, einer neuen Reihe, die in Kooperation mit dem Bayerischen Filmzentrum umgesetzt wird.
Genrekino aus aller Welt
Im Eröffnungsfilm »The Art of Self-Defense« von Riley Stearns geht es um toxische und fragile Männlichkeitskonzepte, im Filmfest-Abschlussfilm »Late Night – Die Show ihres Lebens« von Nisha Ganatra dagegen um emanzipierte Frauen in Männerdomänen. »Tel Aviv on Fire« von Sameh Zoabi und »The Announcement« von Mahmut Fazıl Coşkun verarbeiten politisch brisante Konflikte mit humoristischen Mitteln. Neben der Komödie greifen zahlreiche Filme auch auf weitere Genrestrategien zurück, um zeitgenössischen Phänomenen auf den Grund zu gehen.
Der Cannes-Liebling »Une fille facile« von Rebecca Zlotowski etwa stellt gesellschaftliche Ungleichheit geschickt im Gewand einer Coming-of-Age-Geschichte dar. Im breit gefächerten Programm sind aber auch Variationen von Horror- und Katastrophenszenarien vertreten, ebenso wie poetische Romanzen, etwa »Mein Ende. Dein Anfang«. von Mariko Minoguchi. Der Sci-Fi-Western »Bacurau«von Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles wirft derweil einen kreativen Blick in die Zukunft. Das Mammutprojekt »La Flor«von Mariano Llinás und dem argentinischen Künstlerkollektiv El Pampero Cine vereint gleich mehrere Genrebausteine in einem rund 14-stündigen Episodenfilm.
Serielles Erzählen findet natürlich vor allem im Fernsehen statt. Auch im Serien Spotlight werden die unterschiedlichsten Genres bedient und politische Brennpunkte abgebildet – etwa das Gesellschaftsporträt »Vernon Subutex« oder die spanische Dramedy »Arde Madrid« über das Franco-Regime. Die Doku-Serie »Wu-Tang Clan: Of Mics and Men« porträtiert die berühmten New Yorker Rapper.
Stay Tuned
Um Musik geht es auch in vielen weiteren Produktionen im diesjährigen Filmfest-Programm: Zum einen wird es lokal mit »Spider Murphy Gang – Glory Days of Rock’n’Roll« (Regie: Jens Pfeifer), und um die vielleicht berühmtesten deutschsprachigen Rapper, die Fantastischen 4, geht’s dagegen in »Wer 4 sind« (Regie: Thomas Schwendemann). Zwei weitere Dokumentarfilme widmen sich einer der einflussreichsten Jazzlegenden, »Miles Davis: Birth of the Cool« (Regie: Stanley Nelson) sowie dem tragischen INXS-Frontmann, »Mystify: Michael Hutchence« (Regie: Richard Lowenstein). Der Spielfilm »Prélude« (Regie: Sabrina Sarabi) zeigt die Schattenseiten des Musikgeschäfts und den Druck, der auf junge Musiker ausgeübt wird, während »Crescendo #makemusicnotwar«(Regie: Dror Zahavi) von der verbindenden Kraft der Musik erzählt. In gleich drei Produktionen wird gemeinsam gesungen: In »Der Club der singenden Metzger« (Regie: Uli Edel), »Fisherman’s Friends« (Regie: Chris Foggin) und »Out of Tune« (Regie Frederikke Aspöck) geht es um Chöre – mal historisch, mal komödiantisch, und stets mit einem Augenzwinkern.
Die wichtigsten Infos auf einen Blick
Auch 2019 wird das Filmfest München wieder ein Ort der Begegnung sein, an dem das Publikum den Stars ganz nah ist. Filmemacher stehen auf Panels und bei den Filmmakers Live-Gesprächen Rede und Antwort, gleiten über den Roten Teppich und genießen die lauen Sommerabende bei den zahlreichen Filmfest Partys. Einen Überblick über das gesamte Programm mit allen Reihen, Highlights und Sonderveranstaltungen finden Sie auf der Filmfest München Webseite und im Filmfest-Magazin: u.a. das Kinderfilmfest, die Wettbewerbsreihen CineMasters, CineVision und CineCoPro, die Reihen Neues Deutsches Kino und Neues Deutsches Fernsehen, die Retrospektiven zu Bong Joon Ho und Mads Brügger, die diesjährigen CineMerit-Preisträger Antonio Banderas und Ralph Fiennes, das Open Air »Minga, Baby!«, die Reihen »A Peculiar Vantage: A Selection of Black Cinema« und Virtuals Worlds sowie den Abschlussfilm »Late Night – Die Show ihres Lebens«.