Postproduction, Technology, Top-Story, VFX: 29.05.2019

Understanding VFX — Teil 1

In der mehrteiligen Artikelreihe »Understanding VFX« stellt Juan García ein weites Spektrum an VFX-Fachwissen vor.

Beginnend von den grundlegenden Basics, über anspruchsvollere Themen, bis hin zu wertvollen Praxistipps, wird die Artikelreihe ergänzt.

Understanding VFX
Mit dieser Folge startet die mehrteilige Artikelreihe »Understanding VFX«.
Was sind visuelle Effekte — und wofür nutzt man sie?

Fast jeder hat schon mal einen Film gesehen, bei dem die visuellen Effekte im Vordergrund standen. »Atemberaubende VFX!«, hört man dann von Fans, die auf Blockbuster stehen. Aber nicht nur in extrem und offensichtlich VFX-lastigen Filmen spielen visuelle Effekte eine wachsende Rolle — heutzutage meist in Form von CGI umgesetzt.

Doch was sind eigentlich visuelle Effekte – und wie funktionieren sie? Um diese Positionsbestimmung geht es in dieser ersten Folge der VFX-Artikelreihe.

Making-Of, Creed II: Rocky's Legacy, © MGM
VFX müssen die Zuschauer nicht immer als solche wahrnehmen: In »Creed II: Rocky’s Legacy« wurde das Publikum im Hintergrund ergänzt.
Superkurzer Abriss

Den Grundgedanken der visuellen Effekte gab es bereits, als Fotografie und Bewegtbild noch in den Kinderschuhen steckten. Schon im Jahr 1857 kreierte der in England lebende schwedische Fotopionier Oscar Reijlander ein einzelnes Bild, das aus unterschiedlichen Teilen von insgesamt 32 Negativen bestand.

Ralph Nelson Jr., © Lucasfilm Ltd.
George Lucas (rechts), hier bei den Dreharbeiten von »Episode III: Die Rache der Sith«.

So entstand schon sehr früh quasi die erste Montage. Und auf dieser Technik basierten auch noch mehr als 100 Jahre später die ersten Teile der »Star Wars«-Saga von George Lucas und seinem Team bei ILM, einem der ersten bekannten unabhängigen Visual-Effects-Studios.

Dennis Muren. www.lukeford.net CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

Dennis Muren schließlich, VFX-Pionier und einer der Wegbegleiter von George Lucas, war einer der Vorreiter, die in Hollywood VFX und Digitalisierung miteinander verbanden. Bereits in den frühen 1980er Jahren kreierte er mit Apple Computern digitale visuelle Effekte. Muren ist VFX-Supervisor und neunfacher Oscar-Preisträger in der Kategorie VFX.

Definition

Sucht man eine Definition für den Begriff VFX, bietet sich das VES-Handbuch an, im Folgenden sinngemäß zusammengefasst:

Der Verband »Visual Effects Society« stellt unter anderem auch ein Handbuch vor.

»Visual Effects ist die Begrifflichkeit für jene »Bilder oder Bildeffekte«, die einen Film oder andere Medien von Grund auf erzeugen oder vorhandene Bildelemente maßgeblich verändern. Zum Einsatz kommen sie, wenn es beispielsweise zu gefährlich ist, eine Szene real zu drehen, wenn das Motiv an sich gar nicht existiert oder wenn das schlichtweg die wirtschaftlichste Variante zur Realisierung einer Szene oder Einstellung ist.«

Wichtig ist bei dieser Definition noch, dass die VFX-Passagen nicht im eigentlichen Filmdreh erzielt werden können – zumindest nicht in finaler Form. Im Unterschied dazu wird alles, was direkt am Set oder im Studio erzeugt werden kann, als Special-Effect (SFX) oder Practical Effect bezeichnet (ein Beispiel: Arbeit des Oscar-Preisträgers Gerd Nefzer). Viele Effekte lassen sich durch intelligentes Staging und eine besondere Art des Filmens vor Ort realisieren, dies nennt man In-Camera Effects. Alles andere jedoch fällt in die Kategorie VFX.

Aus einem anderen Aspekt betrachtet, könnte man das Thema VFX auch so definieren: VFX entstehen in aller Regel in der Postproduktion, also erst nachdem der eigentliche Dreh beendet ist. Diese Definition ist aber eher unscharf, denn es gibt viele Ausnahmen: VFX werden nicht selten auch schon parallel zum Dreh realisiert.

»Polar«, Netflix, Understanding VFX
Szene aus »Polar« von Netflix: VFX, die der Zuschauer gar nicht als offensichtliche VFX-Passagen bemerkt.
Blackmagic, Fusion, Compositing
Die Blackmagic-Software Fusion im Compositing-Modus.
Welche Techniken und Werkzeuge werden verwendet

Visual Effects können zu sogenannter Live-Action (oder Live-Action-Footage) hinzugefügt werden. Dabei werden die unterschiedlichsten Techniken eingesetzt und auch miteinander kombiniert. Einige der grundlegenden Techniken sind: Matte Paintings, Rear- and Front-Screen Projection, Miniature oder Forced Perspective Sets, Computer Graphic Objects, Digital Characters & Environments und Compositing. Auf dieser Basis werden VFX-Passagen in unendlichen Variationen erstellt. Im weiteren Verlauf dieser Reihe wird ein Glossar entstehen, das diese Begrifflichkeiten eindeutig definieren und erläutern wird.

DSMax, Autodesk
CGI hat die schnellsten und tiefgreifendsten Entwicklungen im VFX-Bereich verursacht.

Die schnellsten und tiefgreifendsten Entwicklungen im Bereich VFX sind durch Computer-Generated-Imagery (CGI) entstanden. Früher waren diese nur den großen Hollywood-Studios vorbehalten, weil sehr viel Rechen-Power und sehr teure Software dafür erforderlich waren.

Heute können hingegen auch sehr viel kleinere Produktionsfirmen, Sender und sogar einzelne Filmschaffende CGI einsetzen: Weil heute sehr viel erschwinglichere 2D-, 3D-, Compositing- sowie Animations-Software verfügbar ist und man heute auch weder umfassendes eigenes Programmierwissen noch einen Großrechner dafür braucht. Die Softwares sind günstiger und bedienfreundlicher, einen schnellen Rechner braucht man schon noch, aber keinen, der zig Tausende kostet.

Flame, Autodesk, Understanding VFX
VFX-Software: Flame von Autodesk.

Zu den Klassikern der Software in diesem Gebiet gehören einerseits Maya, 3DSmax, Maxon und andererseits node-basierende Systeme wie Flame, Nuke und Fusion, aber auch layer-basierende Systeme wie After Effects.

After Effects, Adobe, Understanding VFX
After Effects von Adobe ist ein layer-basierendes System.

Letztere sind deutlich limitierter in ihren Fähigkeiten, genügen aber dennoch, um die alltäglichen Herausforderungen in der Postproduktion zu meistern. Wenn wir uns jedoch in hochkomplexe digitale 3D-Welten begeben und diese mit real gedrehtem Material kombinieren wollen, kommen die herkömmlichen Prosumer-Tools wie After Effects verhältnismäßig schnell an ihre Grenzen.

Heutzutage befinden wir uns an einem Punkt, an dem VFX zum Standard-Werkzeug eines Filmschaffenden gehören sollte.


VFX-Supervisor Urs Franzen hat dieses Making-of-Video von »Maximilian« bei Vimeo veröffentlicht.
Vom Einsteigen und vom Anspruch

VFX umfassen ein komplett eigenes Gewerk und sind weit überwiegend in der Postproduktion angesiedelt. Viele, die in diesem Bereich arbeiten, haben keine oder nur geringe Berührungspunkte mit der Produktion, den Dreharbeiten. Dennoch spielt der VFX-Bereich auch eine Rolle in der Vorproduktion, sowie in der Drehphase.

Kommunikation und Diskussion mit anderen Gewerken sind unerlässlich. VFX fordern teilweise auch in anderen Bereichen Tribut, sei es was Masken- oder Szenenbild, das Kamera-Department oder die Aufnahmeleitung betrifft.

Potenzielle Endkunden oder die zwischengeschalteten Agenturen interessiert nur das Endergebnis — und auch vollkommen zu Recht. Das, was man beim Thema VFX in Blockbustern sieht, ist aber natürlich Top-Notch: die höchsten Budgets, die besten Werkzeuge, die fähigsten Artists. Da kann es leicht zu Missverständnissen kommen: Wenn der Kunde Hollywood-Effekte erwartet, aber nur ein schmales Effektbudget bereitstellt.


Demo-Reel 2016 des deutschen VFX-Unternehmens Rise, das zu den VFX-Top-Adressen in Deutschland zählt.

Es ist also wichtig, klar zu kommunizieren: Wie schaffen wir es, realistische Angebote zu schreiben, Kosten und Zeitaufwände korrekt einzuschätzen? Es geht auch darum, zu erkennen, was man selbst abdecken kann und wann man besser Fachwissen einkaufen sollte. Egal ob als große Produktionsfirma, als mittelständische Filmproduktionsfirma, Kleinunternehmen oder One-Man-Show: Alle stehen, trotz unterschiedlicher Variablen, vor dieser gleichen Problematik.

Wie schaffen wir es, die richtigen Entscheidungen in Bezug auf Planung, Durchführbarkeit, benötigte Technik und Budget zu treffen? Diese Artikelserie zielt darauf ab, auch hierfür eine Grundlage zu bieten.

Understanding VFX, Juan García, Porträt
Juan García, VFX-Supervisor, VFX-Producer, Autor.
Zum Autor

Juan García ist unabhängiger VFX-Supervisor sowie VFX-Producer. Seit 2007 realisiert er Produktionen mit großen Anteilen an VFX.

Als VFX-Supervisor und Producer betreute er von Werbefilmen über TV-Produktionen bis hin zu namhaften Spielfilmen und Forschungsprojekten bereits zahlreiche, unterschiedlichste Arten von Produktionen. Unter dem Motto »Your one step for all VFX needs« gründete er im Jahr 2014 die Pixelgate Media GmbH mit dem Ziel, Kunden, Produktionsfirmen, Produzenten und Postproduktions- sowie VFX-Studios als unabhängiger Dienstleister zur Seite zu stehen.

García ist gelernter Fotomedienfachmann mit Fokus auf Digital Imaging, studierte Produktion für Film und Fernsehen in Kanada, arbeitete anschließend als Aufnahmeleiter bei der ARD (NDR/HR/WDR) und arbeitete bei Reallifefilm International GmbH zusammen mit dem VR- und S3D-Pionier Sönke Kirchhof (INVR GmbH/Berlin) im Rahmen eines Stipendiums im Haus der jungen Produzenten von Studio Hamburg.

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