Volleyball-Bundesliga: Produktion mit Live-Remote-System
Sporttotal, hervorgegangen aus der Wige Media AG, produziert Begegnungen der Volleyball-Bundesliga (VBL) mit einem Live-Remote-System. Die Sendesignale für die lineare Verbreitung bei Sport1 und im WebTV von SporttotalTV werden bei Sporttotal in Köln produziert – unabhängig vom Spielort. Fast alle Funktionen werden von dort ferngesteuert.
Marco Schleicher, Head of Innovation der Sporttotal AG, hat weitere Details zu dem Projekt.
Sporttotal hält die WebTV-Rechte der Damen- und Herren-Ligen der VBL. Vor diesem Hintergrund hatte das Kölner Unternehmen mit der VBL vereinbart, deren 23 Spielstätten mit vollautomatischer Kamera-Technologie auszustatten. Erste Venues sind seit dem Beginn der Playoffs der Frauen-Teams Anfang April im Sende-Einsatz. Fernseh- und Webpremiere hatte das neue Verfahren am Abend des 3. April 2019 anlässlich der Playoff-Begegnung der Volleyball-Damen von VC Wiesbaden und Allianz MTV Stuttgart.
Kern der Liveproduktionen ist die äußerst geringe Latenz. Laut Marco Schleicher braucht ein Signal von der Kamera – im Fall der genannten Produktion in Wiesbaden – über die Regie in Köln bis zur TV-Sendeabwicklung für Sport1 bei Plazamedia in München-Ismaning etwa eine Sekunde.
Vor Ort sind in der Regel fünf Kameras im Einsatz. Als Führungskamera dient, mittig hoch positioniert, ein HDC-P1-Kopf von Sony mit Robotik der britischen Firma BR-Remote. Wenig entfernt wird eine Camball 4XMi-Kamera von BR als »Emotion Cam« für nahe Einstellungen eingesetzt, so Schleicher. Je eine weitere 4XMi ist hinter den beiden Mannschaften aufgebaut. Die Camballs haben optische 30fach Zooms, 2,38 Megapixel-Sensoren für die HD-Standards 1080i/50/60, 720p/50/60 und 1080p/50/60 HD SDI. Sie sind in Proteân Remoteheads von BR montiert, beides wird über acht DMX-Kanäle gesteuert. Der einzige Kameramann vor Ort fängt Netzszenen und Auszeit-Besprechungen mit einer HXC-FB80 von Sony als Schulterkamera ein. Zusätzlich gibt es noch eine CV502M Minikamera von Marshall unmittelbar an der Netzoberkante.
Kamerazüge mit Fernbedienung
Marco Schleicher erinnert daran, dass die Kameras wie herkömmliche Kamerazüge zu sehen sind. Nur befinden sich Regie und Kamera nicht, wie üblich, wenig entfernt im Ü-Wagen, sondern bei Sporttotal in Köln. Neben dem Regisseur am 2-ME-Mischer steuern dort vier Operatoren die Kameras. »Die Robotik muss latenzfrei arbeiten, der Operator darf das Bild nicht verzögert sehen«, war eine Anforderung an das Systemkonzept. Besonders wichtig ist Marco Schleicher der Bildingenieur, der über Weißabgleich und Farbangleichung hinaus auch für die Synchronität der Kamerasignale untereinander und den bildsynchronen Ton verantwortlich ist. Zum Team gehören in Köln ebenso ein Slomo-Operator, ein Audio-Ingenieur, ein Technischer Leiter und ein Grafiker.
Die genaue Besetzung des Teams hängt vom Produktionsauftrag ab. »Die Sport1 Produktionen können ohne einen Grafiker stattfinden. Wir bekommen sämtliche spielrelevanten Daten inkl. Scoreboard latenzfrei direkt vom Anschreibetisch der Schiedsrichter«, erläutert Marco Schleicher. »Das System wurde bei Sporttotal programmiert und mit der VBL an die SAMS-Schnittstellen angepasst. Die Daten werden direkt in animierte Grafiken gewandelt, und alle Ergebnisse, Tabellen, Spielstände usw. sind jederzeit up-to-date.« Sams ist eine XML-basierte Schnittstelle, die der VBL und andere Sportverbände für ihre Spiel- und Teaminformationen benutzen.
Eine Stagebox als Vorort-Zentrale
Synchronität und Latenz bringen besondere Herausforderungen, berichtet Marco Schleicher. Die Steuerung der Kamerabewegungen und die Wiedergabe der Sendebilder für SporttotalTV und Sport1 samt Grafik auf den Monitoren des Kommentators werden im HDTV-Format 1080i/50 bereitgestellt und ihre Übertragung ist natürlich zeitkritisch. Dabei steht einerseits die Stagebox als Schnittstelle der Kamera-, Ton-, Monitor-, Steuer-, Kommunikations- und Kontrollsignale zwischen Venue und Regie im Mittelpunkt. Die Stagebox ist vorkonfiguriert, eine kleine Audiomischung ist integriert, aber auch diese Funktionen können remote auf die Bedingungen am Einsatzort angepasst werden.
Dazu kommen die Besonderheiten der bidirektionalen Glasfaser-Übertragung zwischen Spielort und Regie, für die Schleicher 0,1 Sekunden veranschlagt, und dann weiter zum Playout nach München. Auf diesen Wegen braucht es Redundanz, um ausfallende Leitungswege schnellstens zu ersetzen. Diesen »IP-basierten Workflow von einem Ende der Republik zum anderen« sichert Sporttotal laut Marco Schleicher durch ein Secure Reliable Protocol, ein Open Source-Verfahren. Bild und Ton werden teilweise mittels eines Workflows transportiert, der auf das softwarebasierte IP-Network Device Interface NDI von Newtek aufsetzt, erläutert Marco Schleicher. Weiteres sei Betriebsgeheimnis von Sporttotal.
Kostengünstige Produktionsweise
Schleicher verweist natürlich auf die vergleichsweise geringen Kosten einer solchen Produktionsweise. Ein Ü-Wagen ist nicht notwendig, die Reisekosten sind minimal. Der gesamte Aufbau vor Ort – einschließlich des Kommentatorenplatzes – liegt in den Händen eines Produktionsmanagers und zweier Kabelhelfer. Während der Produktion ist nur ein Kameramann vor Ort. Die Kosten könnten noch weiter reduziert werden, deutet Marco Schleicher an. Denn das Regieteam könnte mehrere Produktionen nacheinander fahren. Dafür werden lediglich die IP-Verbindungen zum jeweiligen Spielort umgeschaltet. Das hängt von den Spielplänen ab und könnte auch einen Wechsel bedeuten – z.B. von Volleyball zu Fußball. Mittels einer geplanten zweiten Regie sind parallele Produktionen möglich. Nicht zuletzt sind Sprecherkabinen in Köln vorhanden, so dass Spiele von dort kommentiert werden können.
TV-Hightech macht Sport populärer
Aus Sicht der Sportverbände und der Vereine machen »die gemeinsam entwickelten komplementären Kamera- und Produktionssysteme den weltweit beliebtesten Mannschaftssport nach Fußball einer breiten Öffentlichkeit zugänglich«, sagt VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung. »Der Volleyball-Fan hat die Wahl, wie er die Bundesligapartien verfolgt: Ob Live-Stream, Video-on-Demand im Internet über Sporttotal.tv oder im Free-TV über Sport1.« Und auch bei Sport1 passt das buchstäblich ins Bild: Der Spartensender der Constantin Medien AG sieht sich als innovativ in Sachen Sportfernsehen. Davon zeuge u.a. auch der neue Kanal eSports1, so COO TV Daniel von Busse.