Filmschoolfest in München
Beim 38. Filmschoolfest Munich präsentieren Filmstudierende aus 19 Ländern ihre Kurzfilme. Wer vom 19. bis 24. November 2018 das Filmmuseum München besucht, kann sehen, was für herausragende Studentenfilme in aller Welt möglich sind.
Tom Cruise lässt grüßen: Das diesjährige Motto des Festivals lautet »Mission Film: Possible« und zeigt zweierlei: Wer an sich und seine Mission glaubt, kann allen Unkenrufen zum Trotz interessante und begeisternde Filme machen. Dabei beschäftigen sich viele der Nachwuchsfilmer mit der heutigen prekären Arbeitssituation – und erzählen, natürlich, Coming-of-Age-Geschichten, dieses Mal mit besonderem Fokus auf das, was Jungs in ihrem Alltag erleben.
46 Filme aus 19 Ländern schickt die Auswahl-Jury (Olga Baruk, Hans Albrecht Lusznat, Milena Debeljković) dieses Jahr in den Wettbewerb, darunter 30 Spielfilme, 8 Dokumentarfilme, 5 Animationsfilme und 3 Experimentalfilme. Sie stammen aus Australien, Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Hong Kong, Israel, Kolumbien, Niederlande, Österreich, Palästina, Schweden, Schweiz, Serbien, Singapur, Slowakei, Spanien und USA.
Filme im Wettbewerb
Arbeitsmenschen
In dem israelischen Kurzfilm »Meir« muss sich der Krankenpfleger Meir mit den Vorwürfen einer Tochter auseinandersetzen, die behauptet, dass er ihre Mutter verletzt habe. Ebenfalls zur Pflegerin wird die junge Man Ho, deren Mutter stirbt, woraufhin sie endlich mal selbst Geld verdienen muss – und ebenfalls an eine ältere Dame gerät, in dem tragikomischen Kurzfilm »Landing« aus Hong Kong. Gleich zwei kurze Dokumentarfilme begeben sich in Wassernähe: »With All the Will in the World« beschäftigt sich mit einer Werft in England, die 1988 geschlossen wurde, an deren Stelle dann 30 Jahre später eine millionenteure Brücke gebaut werden soll. »Unspoken War« handelt vom Fischfang in Singapur und begleitet sowohl eine Fischerin mit Umweltbewusstsein als auch die Küstenwache. In düsteren Gefilden ist ein Fischhändler in dem deutschen Animationsfilm »A Sweet Story« unterwegs, aber als er sich verliebt, will er Konditor werden, um seiner Angebeteten das tollste Konfekt der Welt zu bringen! Weniger träumerisch ist das Arbeitsumfeld einer Vorarbeiterin in den USA, die den zum Teil illegalen Arbeitern einer Werkstatt schlechte Nachrichten überbringen soll. Als dokumentarisches Gegenstück zu »A Foreman« porträtiert »Undocumented« das Arbeitsleben eines jungen Mannes, der illegal in die USA eingewandert ist. Nur beim Jobben an einem Filmset erlebt er etwas Freude. Gemäß unserem Motto »Mission Film: Possible« inszeniert sich der junge israelische Regisseur Omri Dekel-Kadosh selbst in »Portrait of My Family in My 13th Year« als Regisseur, der seinen Vater (»gespielt« von Omris echtem Vater) zum Re-Enactment einer Kindheitserinnerung animieren will. Nur hat der was ganz anderes im Gedächtnis. Ein phantastisches Endzeitszenario jenseits des Dokumentarischen entwirft hingegen der australische Animationsfilm »Fifty-Two«: Ein Mann muss täglich in einer Untergrundstation Staub von einer Energiegewinnungsanlage wegwischen. Bis ein Unfall passiert… Schockierend ist der Einblick in ein ganz anderes Metier, das ebenfalls ein Animationsfilm, aber mit dokumentarischem Hintergrund gibt: »Worth Every Penny« aus Israel basiert auf Berichten von Sexarbeiter*innen und Kundenbewertungen in Internetforen.
Ein nüchternes, aber durch ein paar Kollegen doch manchmal herzliches neues Arbeitsumfeld betritt »Mathias« in dem neuen Film von Clara Stern (Filmakademie Wien), die beim letzten Filmschoolfest mit »Waiting Time« vertreten war. So richtig gemütlich wird es Mathias in seiner Werkstatt jedoch nicht, weil seine Kollegen vielleicht herausfinden könnten, dass er früher Magda hieß. Weitere Kurzfilme entführen in den Salon eines Billig-Frisörs (»4,95«), ins Becken von Profitauchern (»Eyes Shut«), ein Ferienhotel in der russischen Steppe (»End of Season«) und einen Supermarkt in Israel, wo der Angestellte Dan nach einem Anschlag unter posttraumatischem Stress leidet (»Terror«). Die Folgen des palästinensisch-israelischen Konflikts sind auch in »Torch« spürbar: Die 15-jährige Noga soll eine Rede auf ihren Vater halten, der bei einem Anschlag ums Leben kam.
Verstorbene, verlorene, vermisste Menschen
Viele der Filme beschäftigen sich mit Trauerarbeit und dem Umgang damit, dass ein Familienmitglied nicht mehr da ist: Zwei Eltern vermissen in dem kolumbianischen Beitrag »Don’t Knock« seit Jahren ihren Sohn und wollen kaum in dessen Zimmer gehen. In »The Road to Santiago« aus Spanien sucht Eva Maria nach ihrem Mann, der aus dem gemeinsamen Heimatdorf verschwunden ist. In »Flood«, erneut aus Israel, muss Osher ihre Mutter ins Frauenhaus bringen und sich zu Hause mit ihrem gewalttätigen Vater und ihren hilfsbedürftigen Geschwistern auseinandersetzen. Aron geht in einem österreichischen Wellness-Hotel die Freundin verloren, in der Komödie mit dem Titel »Excuse Me, I’m Looking fort the Ping-Pong Room and My Girlfriend«. Dem kleinen Panpan fehlt im belgischen Kurzfilm »Son of Wind« sein Vater, der aus dem fernen Frankreich Nachrichten auf der Mailbox hinterlässt. Und der kleine Asa will in »Asa Turns 13« nicht ans Grab seiner toten Mutter.
Boyhood
Die Kindheit und Jugend sind alles andere als leicht. In einem Jugendknast, noch einer der außergewöhnlichen Arbeitsplätze in diesem Jahr, unterrichtet Eva eine Gruppe Halbwüchsiger, von denen einer in Handgreiflichkeiten mit einem Gefängniswärter gerät. Wer aber ist in dem belgischen Kurzfilm »Sons of No One« wirklich der Schuldige? In »Captain« aus Israel wird der 13-jährige Omri von seinem Basketball-Trainer sexuell missbraucht und findet aus dem Abhängigkeitsverhältnis schwer einen Ausweg. Der junge Sean trifft in dem englischen Animationsfilm »Facing It« seine Eltern in einem Pub – und macht sie für seine soziale Angst verantwortlich. Mit seiner sexuellen Identität hadert der 15-jährige Kay in »Siren« aus den Niederlanden und fühlt sich als Außenseiter in seiner Motorradgang. Die Gruppe könnte ja eigentlich Nestwärme bieten, aber auch hier steckt der Wurm drin: In »The Vine« aus Serbien hütet eine Gruppe wilder Jungs ein dunkles Geheimnis, während eine Gruppe von US-Teenagern in »Hounds of Love« sich, dank eines Rubelloses, noch mehr in ihren hedonistischen Lebensstil hineinfallen lässt. Gerade die Söhne machen Sorgen in dem slowakischen Kurzfilm »Warm Comedy About Depression, Madness and Unfulfilled Dreams«.
Tränen lügen nie
Bei so vielen Konflikten können einem schon die Tränen kommen. In dem Experimentalfilm »The Perfect Spectator« aus Berlin ist Weinen jedoch an allen möglichen Orten nicht erwünscht, während Simon in dem belgischen Kurzfilm »Simon Cries« nach der Trennung von seiner Frau einfach nicht aufhören kann zu weinen – bis er im Schwimmbad jemanden trifft.
Makabre Komödien
Simon ist so traurig, dass es wieder komisch ist. Und noch ein paar andere kurze Komödien hat das Filmschoolfest in diesem Jahr zu bieten, oft mit makabren Unterton: In »The Beetle at the End of the Street« sieht eine Fischhändlerin den Tod von Amadeos voraus. Dem bereitet das gesamte Dorf eine wunderbare letzte Lebenswoche. Aber was, wenn er dann doch nicht stirbt? In dem finnischen Beitrag »Rose Garden« will hingegen ein Rentner-Trio mit einem irren Plan aus dem Altersheim fliehen. Und der Film der HFF München »Squash« macht aus einem harmlosen Squash-Spiel ein böse existentialistisches Battle ums Überleben. Wer gewinnt?
Eckdaten
Die Eröffnung des 38. Filmschoolfest Munich am 18. November findet in der Hochschule für Fernsehen und Film München statt. Anschließend werden die Festivalfilme in zehn Programmblöcken vom 19. bis 24. November im Filmmuseum München, St. Jakobs-Platz 1, gezeigt. Erwartet werden als Gäste 45 junge Filmemacher und 13 Professor aus aller Welt.