IP-Topologien: ein Überblick
Die Migration von SDI zu IP ist für die Branche ein großes Thema. film-tv-video.de hat mit Jens Gnad von Logic darüber gesprochen, welche Aspekte bei der Planung von IP-Topologien relevant sind.
SDI und Kreuzschienen
In den Hauptschalträumen vieler Broadcaster waren grüne Koaxkabel über Jahrzehnte eine zentrale Systemkomponente – gemeinsam mit Kreuzschienen, der zentralen Schaltstelle, die für die Verteilung der SDI-Signale zuständig war. Eine Kreuzschiene wurde wesentlich über die Anzahl ihrer Ports definiert: Je mehr Ein- und Ausgänge sie bot, umso teurer war sie.
Diese Technik hat viele lange Jahre gute Dienste geleistet, aber solche Infrastrukturen bieten kaum Flexibilität, sie sind nur schwer zu skalieren, in der Regel nicht auflösungsunabhängig und auch nicht kostengünstig. Genau hier setzen IP-Lösungen an.
Warum IP?
Großer Treiber in Richtung IP war die Entwicklung zu hochauflösenden Aufnahmeformaten wie 4K, UHD und HDR. Wenn sie genutzt werden sollen, braucht es Signal-Infrastrukturen, die unabhängig von Formaten arbeiten und operieren und über die man komprimierte und unkomprimierte Signale verteilen kann. Und das ist bei IP-Technik der Fall.
Ein weiterer Aspekt: Beim Einsatz von IP-Technologie kommt man im Vergleich zu SDI-Infrastrukturen mit deutlich weniger Kabeln aus. So lässt sich einerseits viel Platz und Gewicht sparen, was etwa im Ü-Wagen von zentraler Bedeutung ist, und andererseits lassen sich damit Kosten reduzieren. Ein weiterer Vorteil: via IP ist es standardmäßig und ohne Spezialtechnik möglich, mehrere Signale über ein Kabel zu übertragen.
Die Skalierbarkeit von IP-Strukturen spricht ebenfalls für die neue Technik, denn IP-basierte Produktionsstrukturen ermöglichen es Broadcastern oder TV-Dienstleistern, vergleichsweise schnell auf aktuelle Anforderungen zu reagieren und neue Services und oder Kanäle aufzusetzen – etwa für die Produktion großer Events – und diese später wieder herunterzufahren.
Netzwerk-Topologien
Wenn es darum geht, bestehende SDI-Strukturen in die IP-Welt zu übertragen, müsse man IP-Denkweisen auch in der Planung berücksichtigen, betont Jens Gnad, einer der Geschäftsführer der Firma Logic. Er erläutert: »Eine Netzwerk-Topologie beschreibt, wie Netzwerke aufgebaut sind, und letztlich gibt es zwei relevante Topologien, die bei Broadcast-IP-Installationen üblicherweise eingesetzt werden: Centralized Routing oder eine Spine-Leaf-Architektur.
Centralized Routing
Die Idee des Centralized Routing vergleicht Jens Gnad von der Firma Logic mit den Setups, die man vom Einsatz klassischer Kreuzschienen her kennt. Diese Nähe zu Altbekanntem wertet er einerseits als Vorteil, weil man dadurch in der Planung mit klassischen Strukturen arbeiten könne. Gleichzeitig ist das aus seiner Sicht aber auch ein größerer Nachteil, weil man beim Centralized Routing die Vorteile von IP letztlich nicht nutze. Konkretes Beispiel: Beim Centralized Routing müsse von jedem Gerät innerhalb des Netzwerks eine Leitung zum Switch verlegt werden, was hohen Verkabelungsaufwand bedeute. Zudem verbrauche man für jede 1,5G- oder 3G-Anbindung eines Geräts einen 10Gig-Port am Switch – nutze also nur einen Bruchteil der verfügbaren Bandbreite.
Eine sukzessive Anpassung der Leistungsfähigkeit des Systems sei ebenfalls Fehlanzeige: Wenn der Switch voll ausgelastet sei, müsse man erneut investieren. Und wie bei klassischen Kreuzschienen sei nach der Erweiterung des Systems beliebiges Schalten aufgrund von Tielines nicht möglich, erklärt Gnad, und zudem gebe es auch keine wirkliche Redundanz.
Spine-Leaf-Architektur
Spine-Leaf-Architekturen werden verstärkt in Datencentern eingesetzt, weil sie bei virtualisierten Applikationen die Engpässe einer klassischen Rechenzentrum-Architektur umgehen. Jens Gnad erklärt es so: »Bei einer Spine-Leaf-Architektur wird im Unterschied zum Centralized Routing eine Zwischenebene eingezogen – mit sogenannten Leaf- oder auch Edge-Switches.« Auf diese Zwischenebene, auch Kante genannt, würden bestimmte Aufgaben ausgelagert, so dass der Spine-Switch gezielter und flexibler ausgelastet werde.
Gnad erläutert, dass man bei Spine-Leaf-Architekturen zwischen Dual Star und True Spine-Leaf unterscheide. Dual Star ähnle vom Konzept her einer Installation mit klassischen Kreuzschienen, weil es sich hier nicht um ein vermaschtes Netzwerk handle und zwischen den beiden Sternen im Data Center auch keine direkte Verbindung herrsche. Man benötige also eine »Tieline« zwischen den beiden Welten – eine Verbindung, die sich im Praxisbetrieb oft als Flaschenhals erweise. Einen Vorteil gebe es bei Dual-Star-Architekturen im Vergleich zu einer klassischen Kreuzschienen-Installation (vgl. Centralized Routing) aber doch: vorhandene Bandbreiten ließen sich dank der eingezogenen Zwischenebene der Edge-Switches (Aggregationslayer) besser ausnutzen.
»Letztlich ist es aber so, dass man erst mit einer True-Spine-Leaf-Architektur und einem vermaschten Netzwerk die Vorteile der IP-Technik auch tatsächlich ausnutzen kann«, sagt Jens Gnad weiter. Wenn die Netzwerke entsprechend aufgesetzt würden, könne man beispielsweise in einer Infrastruktur mit 200 Ein- und Ausgängen mit einer Bandbreite auskommen, die nur für 100 ausgelegt ist. »Das funktioniert bei IP sehr gut, und auf diesem Weg ist es möglich, neben Bandbreite auch Switch-Kapazität einzusparen. Mit einer klassischen Kreuzschiene ist das nicht möglich«, bilanziert Gnad.
Ein weiterer und vermutlich entscheidener Vorteil von True-Spine-Leaf: Wenn bei solchen Strukturen ein Spine – also ein Haupt-Switch – ausfällt, kann das ausgeglichen werden, weil alle Komponenten des Netzwerks miteinander verbunden sind.
Fragen bei der Planung von IP-Strukturen
Als essenzielle Anforderung für die Planung von IP-Strukturen nennt Jens Gnad neben dem grundlegenden Verständnis von Netzwerk-Topologien die korrekte Dimensionierung der Projekte. Hier gelte es, die Anzahl der benötigen Quellen und Senken zu definieren und zu ermitteln, an welchen Stellen Signale gewandelt oder transcodiert werden müssten. Man müsse aber auch die Frage klären, ob die Installation in einer einzigen oder in mehreren, räumlich voneinander getrennten Locations geplant sei. »Diese Frage beeinflusst erheblich die Anzahl der benötigen Switche«, sagt er. Kompression sei ein wichtiger Aspekt, wenn Standorte nicht mit hoher Bandbreite angebunden werden können. Dann komme etwa Tico- oder JPEG2000-Kompression ins Spiel. Auch Verschlüsselung sei ein großes Thema, wenn es um Sicherheitsfragen gehe.
Redundanz spiele in der Planung ebenfalls eine wichtige Rolle, sagt Gnad, das habe natürlich ebenfalls unmittelbare Auswirkungen auf den Umfang der Installation. Auch die Frage, ob Standorte per Wide Area Network (WAN) angebunden würden, müsse geklärt werden; ebenso, ob und wenn ja, welches Steuersystem genutzt werde. »Wichtig ist natürlich auch, sich schon frühzeitig zu überlegen, welche Signale denn aktuell und auch perspektivisch einmal verarbeitet werden sollen, denn das hat unmittelbaren Einfluss auf die Bandbreite«.
Von zentraler Bedeutung sei aber, zu klären, wie viele unterschiedliche Signale gleichzeitig an den Senken benötig würden, »denn das dimensioniert letztlich das Netz«, so Gnad. Er resümiert: »Mit einer detaillierten Vorplanung kann man viel Geld sparen – wenn man all die genannten Faktoren berücksichtigt.«
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