Postproduction, Tech-Talk, Top-Story: 01.08.2018

Die richtige Balance finden

Patrick Palmer ist bei Adobe als Senior Product Manager Editing verantwortlich für die Entwicklung von Softwares wie Premiere Pro, Media Encoder und Prelude. Diese Position mit globaler Verantwortung nimmt er zu großen Teilen vom Home-Office aus wahr.

Adobe, Patrick Palmer
Patrick Palmer ist als Senior Product Manager Editing für ein global verteiltes, internationales Team verantwortlich.

Man fährt schon eine ganze Weile durch ländliches Gebiet, bis man dort hin gelangt, wo Patrick Palmer in seinem Homeoffice arbeitet — in einem Dorf mit knapp 500 Einwohnern im Umland von München. Und obwohl Palmer relativ wenig Besuch aus seinem Arbeitsumfeld hier persönlich und physisch begrüßt, hat er doch fast jeden Tag Gesprächspartner aus der halben Welt zu Gast. Er trägt die Führungsverantwortung für ein internationales Team, das die Entwicklung von Softwares wie Premiere Pro, Media Encoder und Prelude vorantreibt.

Letztlich sei es fast egal von wo aus er arbeite, sagt Patrick Palmer. Aber dass Adobe es einem Mitarbeiter, der an einer so zentralen Schaltstelle arbeitet, ermöglicht, das überwiegend vom Homeoffice aus zu tun, ist zumindest hierzulande doch eher ungewöhnlich — und sagt einiges über das Verständnis des Software-Unternehmens von der Arbeitswelt.

Homeoffice und kreativer Arbeitsplatz: Patrick Palmer verfügt neben seinem Verständnis für Software unter anderem auch über musische Fähigkeiten, darunter eine musikalische Begabung — weshalb sein Büro ein bisschen wie ein Tonstudio aussieht.

film-tv-video.de hat mit Patrick Palmer darüber gesprochen, wie man es schafft, Markttrends frühzeitig zu erkennen, die Anforderungen der Regionen richtig zu gewichten und die Software insgesamt besser zu machen.

Patrick Palmer kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Er ist offen, positiv und meistens gut gelaunt. Lauter Eigenschaften, die ihm in seiner Position als Senior Product Manager Editing durchaus hilfreich sind: Denn Palmer sitzt an der Schnittstelle zwischen den Endkunden, den Programmierern und den BWL-Leuten im Unternehmen. Seine Aufgabe ist es, zwischen diesen unterschiedlichen Lagern die richtige Balance zu finden, ganz unterschiedliche Wünsche auszutarieren und die Softwares für die er verantwortlich ist, weiter zu entwicklen und in die richtige Richtung zu steuern. »Es geht darum, die Balance in den Produkten zu finden, die den maximalen Nutzen für die Anwender bringt.«

Adobe, Patrick Palmer
Patrick Palmer: »Die Verbesserung der Workflows steht stets an erster Stelle.«

Die Software-Entwicklung zu lenken, ist dabei nicht immer ganz einfach, denn je nach Region unterscheiden sich die Anforderungen durchaus, und es gilt, aus der Fülle an Einflüssen und Rückmeldungen das heraus zu destillieren, was möglichst viele Endkunden positiv werten. »Dabei steht für mich letztlich die Verbesserung der Workflows stets an erster Stelle«, erläutert Palmer, »denn das ist es, was die Arbeit des Einzelnen verbessert. Es geht mir viel mehr darum, als um einzelne Features — wenngleich man natürlich auch einzelne Features braucht, die herausstechen, die die Anwender begeistern und den Unterschied zur Konkurrenz verdeutlichen.«

Austauschen, vernetzen, kommunizieren

Wie kann man Markttrends aufspüren und Nutzerwünsche frühzeitig aufgreifen, sodass sie in die Entwicklung einfließen können? Das ist keine einfache Aufgabe, denn ähnlich wie ein großer Autobauer, braucht ein Unternehmen wie Adobe eine gewisse Vorlaufzeit, wenn die Programmierung in die eine oder andere Richtung gelenkt werden soll.

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Patrick Palmer greift auf ein ganzes Instrumentarium an Feedback-Methoden zurück.

Palmer greift bei diesem Prozess auf ein umfassendes Instrumentarium zurück. »Natürlich spreche ich darüber sehr viel mit meinen Mitarbeitern in den einzelnen Regionen. Sie alle sind im direkten Austausch mit den Kunden und erhalten ein direktes und meist ungefiltertes Feedback auf unsere Entwicklungen.«

Aber auch die Softwares selbst liefern wertvolle Erkenntnisse, denn durch die anonymisierte Analysefunktionen der Programme erhält der Hersteller Information darüber, wie die Kunden mit einzelnen Funktionen arbeiten und welche besonders intensiv genutzt werden — wenn die Kunden dem zugestimmt haben. »Daraus gewinnen wir konkrete Rückschlüsse, was wir noch verbessern oder ausbauen müssen«, erläutert Palmer.

Ein weiterer wichtiger Pfeiler im Prozess der Entscheidungsfindung ist die Marktforschung. Sie liefert Palmer wichtige Erkenntnisse darüber, welche Themen die Kunden besonders häufig anfragen und was sie interessiert.

Eine vierte wichtige Informationsquelle für die Arbeit von Patrick Palmer sind direkten Rückmeldungen von Kunden, die mittlerweile per »User Voice« sagen können, welche Funktionen sie positiv oder negativ werten und was ihrer Meinung nach als nächstes entwickelt werden sollte. »Darüber können wir durchaus Trends erkennen«, sagt Palmer.

Wenn ein Thema auf einem oder mehreren dieser Kanäle »heiß« ist, bedeutet das jedoch nicht, dass Adobe seine Programmier sofort darauf ansetzt. »Manches poppt nur ganz kurzzeitig hoch und verschwindet rasch wieder. Und natürlich gibt es auch immer wieder Firmen, die ein Thema schon früher aufgespürt und dafür Softwares entwickelt haben.« So war das beispielsweise bei Mettle, einem Unternehmen das Adobe übernommen hat. Mettle hatte schon sehr frühzeitig 360-Grad-VR-Software entwickelt. Für Adobe war relativ schnell klar, dass es sinnvoller wäre, Mettle zu übernehmen, statt die eigene Entwicklung auf das Thema zu setzen. Auch das kann eine Erkenntnis dieses Prozesses sein. »Build, buy or partner«, erklärt Palmer, »diese Frage stellt sich immer wieder. Dabei geht es unter anderem auch um Geschwindigkeit.«

Priorisieren

Adobe, Patrick Palmer
Patrick Palmer: »Ich gelte ich als einer der größte Neinsager in der Firma.«

An Ideen und Wünschen mangelt es aber weder bei den Kunden noch bei Adobe. Allerdings verfügt auch ein Unternehmen wie Adobe nicht über grenzenlose Ressourcen, um alle Ideen umzusetzen. »Deshalb müssen wir Prioritäten setzen«, sagt Patrick Palmer. »Nicht zuletzt deshalb gelte ich als einer der größte Neinsager in der Firma«, sagt er lachend — und das kann man sich bei ihm wirklich kaum vorstellen.

Adobe hat aus Palmers Sicht zwar die perfekte Größe für eine schlagkräftige Programmentwicklung, müsse sich aber dennoch fokussieren. »Das ist ein natürlicher Prozess innerhalb der Entwicklung und es geht auch gar nicht anders, wenn eine Software praktikabel, nützlich und für die Anwender gut zugänglich und erlernbar bleiben soll«, so Palmer. Dabei bleibe eben auch manches auf der Strecke.

»Ich bin überzeugt, dass Entwicklerteams nicht beliebig groß werden können: Das tut der Kommunikation nicht gut und letztlich auch dem Produkt nicht«, fasst Palmer zusammen. 

Die richtige Priorisierung von Features und Technologien, die zum passenden Zeitpunkt in die Produkte einfließen sollen, das zählt zu Palmers Aufgaben. »Das erfordert auch eine Moderation zwischen Engineering und Marketing«, erklärt er. So ergibt sich eine Roadmap für die Produkte, in der die zukünftige Entwicklung zumindest skizziert ist.

Klares Produktdesign

Sind die Prioritäten erst einmal gesetzt, kommt für Palmer eine weitere wichtige Anlaufstelle ins Spiel: der Produkt-Designer. »Er ist für mich ein zentraler und enorm wichtiger Partner in der Entwicklung«, so Palmer. Ihm komme nicht nur die Aufgabe zu, für neue Funktionen den passenden Look zu schaffen. Er müsse auch für Kontinuität und ein einheitliches Nutzererlebnis innerhalb der gesamten Adobe-Produktpalette sorgen. »Deshalb stellen wir uns immer die Frage, wie eine Funktion, die es etwa in Premiere Pro noch gar nicht gibt, in Photoshop oder in Lightroom aussieht«, erklärt Palmer. »Da ist eine gewisse Kontinuität durchaus sinnvoll, weil sehr viele unserer Kunden mehrere kreative Adobe-Softwares nutzen. Außerdem ist es natürlich sinnvoll, von den Erfahrungen anderer Teams profitieren zu können. Wir stehen also auch im engen Kontakt mit den Teams, die an After Effects, Photoshop und Audition arbeiten.«

Patrick Palmers Teammitglieder sitzen in nahezu allen Bundesstaaten der USA, in Europa und in Asien.

Globales Team, weltweite Einflüsse

Patrick Palmer bekleidet bei Adobe eine globale Position mit einem Team, das über die ganze Welt verstreut ist, aber eng zusammenarbeitet. Seine Teammitglieder sitzen in nahezu allen Bundesstaaten der USA, in Europa und in Asien. Der Entwicklungsschwerpunkt liegt in den USA, ist dort aber über viele Regionen verteilt, außerdem beschäftigt Adobe auch zahlreiche Entwickler in Indien.

Dieses Setup erfordert flexible Strukturen, aber auch regelmäßigen persönlichen Austausch mit den Kollegen. Wie das geht, lebt Patrick Palmer selber vor: Er betreut von einem beschaulichen kleinen Ort im Landkreis Erding in Oberbayern sein weltweites Team. »Für die Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitern wohne und arbeite ich in der perfekten Zeitzone«, urteilt Palmer. »Wenn der Arbeitstag in Indien zu Ende geht, fangen die amerikanischen Kollegen an der Ostküste so langsam an. Auch seinen persönlichen Vorlieben kommt es entgegen, wenn er seinen Arbeitstag an seinem internationalen Team ausrichten und aufspalten kann, so dass er für die indischen Entwickler noch erreichbar ist, und ansprechbar ist, wenn die US-Kollegen von der Westküste aufstehen.

Für die Kommunikation mit den Kollegen spiele E-Mail nach wie vor eine wichtige Rolle, aber auch Entwicklertools wie Slack und Jira würden immer wichtiger, sagt Palmer. Für ihn nimmt die direkte Kommunikation nach wie vor die wichtigste Rolle ein. Das zeigt sich auch darin, dass er sich mit den wichtigsten Leute seines Teams mindestens einmal pro Quartal zum persönlichen Austausch trifft. »Das ist entscheidend für unsere Teamarbeit«, urteilt Palmer.

Hoher Qualitätsanspruch

Palmer erläutert, dass Adobe die eigene Software immer wieder einer »Re-Imagination« unterziehe .

Palmer erläutert, dass Adobe die eigene Software immer wieder einer »Re-Imagination« unterziehe und sich der Frage stelle, wie eine Funktion, ein Button, im Jahr 2018 aussehen müsse. Auch die Funktionalität ganz generell unterziehe Adobe immer wieder dieser Frage. So habe etwa das jüngste Release im Vergleich zum Vorgänger deutlich weniger neu hinzugekommene Funktionen, weil der Fokus sich auf Performance und Stabilität verschoben habe.

Kreativität gefragt

Programmierer haben das Image, als introvertierte Computer-Nerds maschinengleich Zeile um Zeile an Code zu schreiben. Aus der Sicht von Palmer ist das aber nur die halbe Wahrheit, die außer Acht lässt, dass gute Programmierer auch viel Kreativität benötigen und mitbringen. »Deshalb gibt es bei uns immer wieder Arbeitswochen, in denen die Entwickler frei auswählen dürfen, was sie tun möchten. Dabei kommen oft erstaunlich kreative Projekte zustande, von denen wir die besten dann unter anderem bei der Adobe MAX Entwicklerkonferenz per Sneak Preview präsentieren und mit einem größeren Publikum diskutieren.« So können aus diesen Projektwochen letztlich Tools und Werkzeuge entstehen, die für die Kunden enorm wertvoll sind und deren Arbeit erleichtern – und ihr nicht im Wege stehen.

Der Tätigkeitsmix für die Software-Ingenieure und Entwickler ist aber aus Palmers Sicht nicht nur für die Mitarbeiter wichtig: »Es hilft uns einfach, die Produkte voranzubringen, wenn jeder auch über seinen Tellerrand hinausblickt.«

Patrick Palmer: »Das geht nur, wenn ich ein gutes Team hinter mir weiß – und das ist definitiv der Fall.«

Vertrauen ins Team

Wer wie Patrick Palmer ein weltweit agierendes Team leitet, braucht nicht nur ein ausgleichendes und positives Naturell, sondern auch jede Menge Vertrauen in seine Mitarbeiter — und offenbar auch die Kraft, »Nein« zu sagen. »Meine Aufgabe besteht unter anderem auch darin, unsere Entwicklungspläne gegenüber der Geschäftsleitung zu vertreten. Das geht nur, wenn ich ein gutes Team hinter mir weiß – und das ist definitiv der Fall.«

Kurzbiografie

Patrick Palmer ist der ehemalige COO von Iridas. Die deutsche Software-Firma hatte unter anderem SpeedGrade entwickelt, ein Farbkorrektur-Tool, das in der Branche vielfach eingesetzt wurde. Nach der Übernahme durch Adobe bliebt Patrick Palmer Teil des Teams, und im Jahr 2013 wurde die Funktionalität von SpeedGrade ins Lumetri Color Panel integriert.

Mittlerweile ist Palmer bei Adobe Senior Product Manager Editing und als solcher für die Entwickung von Premiere Pro, Media Encoder und Prelude verantwortlich.