Final Cut Pro X macht den nächsten Schritt
In der neuen Version 10.4 von Final Cut Pro X setzt Apple eine interessante Entwicklung fort: Stück für Stück kehren altbekannte Features aus Final Cut Pro 7 zurück und werden nun — im neuen Gewand — wieder Teil der Profi-Schnitt-Software von Apple. film-tv-video.de hat die jüngste Version der Software ausprobiert.
Apple veröffentlichte mit Final Cut Pro 10.4 eine neue Version seiner Schnitt-Software. Das Update auf FCPX 10.4 ist für bestehende Nutzer kostenlos, Neukunden zahlen rund 330 Euro für den Download der aktuellen Version.
Apple ergänzt mit dem Update Funktionen wie 360°-VR-Videobearbeitung und bietet eine erweiterte Farbkorrektur sowie Unterstützung für HDR-Videos. FCPX-Anwender können mit der neuen Version erstmals auch 8K-Videos in voller Auflösung auf einem Mac bearbeiten. Auch die Programme Motion und Compressor, die FCPX ergänzen, können nun 360°-VR-Videos verarbeiten.
Es gibt aber auch etliche, vielleicht weniger spektakulär klingende, aber in der täglichen Praxis vieler Anwender vielleicht sogar wichtigere, neue Features.
360-Grad- und VR-Material
Für die Bearbeitung von 360-Grad-Videos, Virtual-Reality-Material (VR) und High Dynamic Range (HDR) gibt es bei FCPX eine neue Form von Projekt, mit dem sich solche Clipsdann für Youtube, Facebook und Vimeo exportieren lassen.
Die neue Funktion »Ausrichten« bei den Modi »Transformieren, Ausrichten und Verzerren« im Viewer ermöglicht es, direkt mit der Maus im 360-Grad-Video zu navigieren und das Video zu verschieben. Dabei werden auch stereoskopische Videodateien unterstützt. Mit dieser Funktion ist es auch möglich, 360-Grad Aufnahmen in »normale« Projekte zu integrieren und sich einen entsprechenden Ausschnitt auszusuchen oder eine Fahrt darin zu animieren.
Entsprechend der Eigenschaften eines 360-Grad-Videos bietet das Informationsfenster neue Einstellungen für das Ausrichten und Animieren des Videos in der X-,Y- und Z-Achse. Beides macht das Arbeiten mit 360-Grad Videos sehr intuitiv. Mit Hilfe des neuen Viewers für 360-Grad-Material kann man in einem zweiten Fenster zeitgleich sehen, wie die Anfangseinstellung aussieht und was der Zuschauer sieht, wenn man die Ausrichtung des Videos verändert.
Zudem ist es hier mittels Schieberegler möglich, den Kamerawinkel festzulegen, der gezeigt werden soll. Mit der Option »Horizont einblenden« lässt sich im Viewer auch die Ausrichtung des Horizonts festlegen. Mit einer entsprechenden VR-Brille kann man das Material ebenfalls betrachten – allerdings wird momentan nur das Modell HTC Vive in vollem Umfang unterstützt und die Anforderungen an den Rechner und die Grafikkarte sind für die Ausgabe enorm.
Das Listenfenster im Browser weist jetzt eine 360-Grad-Kategorie auf, die anzeigt ob es sich beim jeweiligen Video um ein 360-Grad Video handelt und welche Form. In den Fällen, in denen Final Cut Pro beim Import ein 360-Video nicht erkennt, muss es zuvor in das »Plattkarten-Format« konvertiert werden — dabei wird das Rundumvideo ähnlich einer Weltkarte zu einem rechteckigen Format zusammengestaucht. Entsprechende andere Zuweisungen im Modus-Register dienen nur der Information des Cutters. Eigene Optionen, die es ermöglichen, Videos in Plattkarte zu konvertieren, bietet FCPX leider nicht.
Im Effekte- und im Titel-Browser gibt es jeweils eine neue Kategorie für spezielle 360-Grad-Optionen. Generell funktionieren auch alle normalen Effekte und Titel, aber zehn Effekte und sieben Titel sind nur speziell für 360-Grad-Anforderungen zugeschnitten. Das sind hauptsächlich Scharfzeichnen, Weichzeichnen und Glüheffekte wie »Aura« oder »Blüte«. Am Wichtigsten hier ist aber der »Patch-Filter« um etwa das Stativ aus dem Bild herausretuschieren zu können.
Einige Verzerrungen lassen sich vermutlich nie ganz ausmerzen, aber an sich funktioniert der Patch-Filter einfach und führt schnell zu brauchbaren Ergebnissen. Die Titel bieten auch zusätzliche Parameter für Tiefe und Rotation im Raum, so dass sich diese in allen drei Achsen platzieren und animieren lassen.
Codecs, HDR und Farbräume
Apple hat bei der neuen Software-Version die Möglichkeit geschaffen, Material mit anderen Farbräumen als Rec.709 zu bearbeiten. Jetzt sind auch die Standards Rec.2020 HLG und Rec.2020 PQ möglich. Sie bieten einen erweiterten Farbraum und können wesentlich mehr Farben darstellen als ein klassisches HD-Signal nach dem Rec.709-Standard. Bei HLG handelt es sich dabei um einen Standard, bei dem eine »korrekte« Darstellung sowohl auf modernen HDR-Monitoren mit 10 Bit als auch alten 8-Bit-Geräten mit sRGB sichergestellt ist. Hinter PQ verbirgt sich der Dolby Vision Standard mit einer Farbtiefe von bis zu 12 Bit. Dementsprechend wurde der Wellenform-Monitor angepasst.
Bisher konnte FCPX zwar schon mit HDR-Material nach dem Rec.2020- Standard arbeiten, rechnete dieses aber automatisch in ein SDR-Signal um. Das konnte zu seltsamen Farb- und Kontrast-Darstellungen führen, die manuell mit einer Farbkorrektur wieder entzerrt werden mussten.
Die neuen Werkzeuge zur Farbkorrektur bieten hierfür jetzt wesentlich bessere Funktionen, um die Verteilung des Kontrastes mit den Kurven genau festzulegen und »unzutreffende« Farben sehr einfach mit den Farbton/Sättigungs-Kurven zu korrigieren. Jetzt kann der Cutter diesen Schritt mit voller Kontrolle ausführen und das vorgesehen Ausgabemedium mit LUTs oder mit den HDR-Tool aus den Effekten anpassen. Letzteres bietet Presets, um einen Farbraum schnell in den anderen zu konvertieren. Um das allerdings nutzen zu können, muss die ganze Mediathek in »HDR« eingestellt werden. Dann steht auch in den entsprechenden Projekten die Option für die beiden Rec.2020-Farbräume zur Verfügung.
Damit das Bild sinnvoll beurteilt werden kann, benötigt man einen externen HDR-Monitor, der den geforderten Farbraum auch anzeigen kann und die Bildsignale von FCPX via Thunderbolt akzeptiert.
Sollten Probleme mit übersteuerten Werten auf einem Monitor auftreten, gibt es in der Wiedergabe-Voreinstellung jetzt eine Option, das HDR-Video als Rohwerte anzuzeigen. Dementsprechend kann FCPX jetzt auch problemlos mit dem 10-Bit-Material im H.264-Codec aus der Panasonic-Kamera GH5 umgehen und diese Signale wiedergeben, ohne dass sie vorher in ProRes konvertiert werden müssten.
Wer das jüngste Apple-Betriebssystem High Sierra installiert hat, kann jetzt auch HEVC oder H.265 Videos laden und bearbeiten. Selbst auf einem fünf Jahre alten Macbook Pro mit Nvidia-Grafikkarte funktioniert das noch ohne Probleme. Die Exportoptionen in Compressor wurden entsprechend angepasst: jetzt gibt es also auch einen HEVC-Export von Rec.2020-Dateien mit HLG- oder PQ- Format und einen erweiterten Export von MXF-Dateien. Das Cinema-Raw-Format von Canon, das in der C200 (Test) verwendet wird, kann FCPX jetzt ebenso verarbeiten.
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