Wurde das IRT um viele Millionen Euro geprellt?
Aus verschiedenen Medienberichten und aus Stellungnahmen des BR ergibt sich das Bild, dass das Institut für Rundfunktechnik (IRT) möglicherweise um viele Millionen Euro Patenterlöse geprellt wurde. Die Rede ist von dreistelligen Millionenbeträgen.
Das Institut für Rundfunktechnik ist auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks (BR) im Münchener Ortsteil Freimann angesiedelt. Auch verwaltungstechnisch bestehen enge Beziehungen zwischen dem IRT und dem BR.
Getragen wird das IRT aber gemeinsam von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die das IRT als GmbH mit gemeinnützigem Zweck betreiben. Die größten Beiträge für den Unterhalt des IRT leisten die ARD und das ZDF. Die Finanzierung stammt somit letztlich in wesentlichen Teilen aus dem Rundfunkbeitrag. Das IRT erwirtschaftet aber auch eigene Erlöse, etwa durch Patente, die am Institut entwickelt wurden — und genau hier soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.
Das macht das IRT
Das IRT betreibt Forschung im technischen Bereich, mit engem Bezug zu Hörfunk, Fernsehen und anderen Kommunikationstechnologien. Das IRT testet Broadcast-Equipment, gibt Richtlinien und Empfehlungen für die beteiligten Sender heraus, entwickelt und verbessert aber auch eigene Technologien und wirkt an internationalen Gremien und Standardisierungsverbänden mit.
Aus der Arbeit des Instituts ergibt es sich, dass dort auch patentierbare technische Lösungen in den Bereichen Bild-, Ton- und Übertragungstechnik entwickelt werden. Und bei der Verwertung dieser Patente soll es nun zu großen Unregelmäßigkeiten gekommen sein, die eine Strafanzeige nach sich zogen.
BR hat Strafanzeige gestellt
Der BR hat bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige gegen einen ehemaligen Patentanwalt gestellt. Dieser hatte das IRT über viele Jahre in Patentangelegenheiten beraten und vertreten. Nun besteht der Verdacht, er habe sich dabei unrechtmäßig bereichert und dem Institut seien Erträge im dreistelligen Millionenbereich vorenthalten worden.
Dabei hat der Patentanwalt aber allem Anschein nach nicht einfach nur direkt in die eigene Tasche gewirtschaftet, sondern der Fall stellt sich möglicherweise komplexer dar. So ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des dringenden Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und »Parteienverrat zu Lasten des IRT«. Da aber zur Bestechlichkeit in der Regel mindestens zwei gehören — einer zahlt, mindestens ein anderer nimmt und gewährt dafür Vorteile oder schweigt — könnte der Fall noch weitere Kreise ziehen. Sprich: Es könnten auch BR- oder IRT-Mitarbeiter mit im Boot sitzen.
Wie konnte es dazu kommen?
Der Patentanwalt war laut Medienberichten bis 1998 beim IRT beschäftigt und war danach als Berater im Bereich Patentrecht für das Institut tätig. In Bezug auf das MPEG-Verfahren verfügt das Institut über einige einträgliche Patente und deren Verwertung wurde — so scheint es zumindest — vom IRT an eine GmbH ausgelagert, als deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Anwalts fungiert. Laut dem jüngsten veröffentlichten Jahresabschluss dieser GmbH aus dem Jahr 2015 verfügt diese GmbH über knapp 85 Millionen Euro Eigenkapital.
Woher kommt dieses viele Geld? Der Anwalt wird verdächtigt, mit internationalen Patentverwertungsgesellschaften Verträge ausgehandelt zu haben, die nicht voll zugunsten des Instituts abgeschlossen wurden, sondern auf dem einen oder anderen Weg — möglicherweise über die GmbH oder auch anderweitig — auch Geld in seine eigene Tasche spülten.
Die GmbH hat im Jahr 2015 rund 350.000 Euro an Löhnen und Gehältern bezahlt, außerdem wurden offenbar die Steuern beglichen. Aber das Institut, aus dessen MPEG-Patenten das Geld stammen dürfte, wurde ganz offenbar nicht — oder zumindest nicht angemessen — an diesen Erträgen beteiligt.
In den Medienberichten zu diesem Thema ist die Rede von 100 bis 200 Millionen Euro, die dem IRT über die Jahre vorenthalten wurden. Der BR nannte keine genaue Summe, sondern sprach von einem dreistelligen Millionenbetrag.
Weitere Kreise denkbar
Wieso blieb diese Angelegenheit so lange unbemerkt? Das ist aus öffentlichem Interesse eine der wesentlichen Fragen dieses Falls. Reichen die Kontrollmechanismen der Öffentlich-Rechtlichen aus, um solche Probleme bei ihren Töchtern einzudämmen? Sind möglicherweise BR- oder IRT-Mitarbeiter in diesen Sumpf verwickelt?
Erinnerungen werden wach: Der über Jahre unbemerkte Betrugsskandal beim Kika, inklusive Veruntreuung und Bestechung. Die »unzulässigen Aktivitäten mit dem Ziel der Wettbewerbseinschränkung« derentwegen die ÖR-Tochterunternehmen Studio Berlin Adlershof und Bavaria Studios vom Bundeskartellamt mit Bußgeldern in einer Höhe von insgesamt rund 3,1 Millionen Euro belegt wurden (Infos).
Kommentar
Das alles wird schließlich letztendlich aus dem Rundfunkbeitrag bezahlt — und deshalb haben die Beitragszahler ein Recht darauf, dass hier streng kontrolliert und tiefgehend aufgeklärt wird, dass alles getan wird, um Korruption, Betrug und Bestechung im weitesten Sinn im Umfeld der Öffentlich-Rechtlichen zu unterbinden.
Man kann ganz zweifellos unterschiedliche Auffassungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. In den Diskussionen, die darum kreisen, gibt es viel unsachliches Geschrei, aber auch nachvollziehbare Kritikpunkte am aktuellen System.
Die Forderungen nach Reformen werden besonders dann genährt, wenn auf der einen Seite öffentlich-rechtliche Sender am Programm und den produzierenden Mitarbeitern sparen, auf der anderen Seite aber einen letztlich offenbar ineffizienten Wasserkopf mitschleppen, sowie einen Großteil der Rundfunkbeiträge verwenden, um Luxuspensionen bezahlen.