Filmwirtschaft: Gute Zahlen, schlechte Zahlen
Derzeit läuft das größte Filmfestival Deutschlands, die Berlinale. In der Haupstadt trifft und präsentiert sich also zu dieser Zeit die deutsche Filmszene und genießt höchste Medienaufmerksamkeit. Pünktlich dazu hat die Filmförderungsanstalt FFA aktuelle Zahlen und Analysen veröffentlicht. Der deutsche Film hat demnach 2015 den höchsten Marktanteil seit Erfassung der Besucherzahlen erreicht.
Von insgesamt 139,2 Millionen Kinobesuchern sahen sich 37,1 Millionen im Jahr 2015 deutsche Spielfilme im Kino an. Eine Sensation? Ist das nicht Beleg dafür, dass es dem deutschen Film so gut geht, wie schon lange nicht mehr?
Um die Antwort gleich vorauszuschicken: Nein, so ist es ganz und gar nicht. Neben denen, die sich an den Fördertöpfen laben, gibt es nämlich auch ein wachsendes Filmprekariat, das unter unwürdigen Arbeitsbedingungen und bei schlechter Entlohnung immer darauf hofft, mit dem nächsten Projekt den Durchbruch zu schaffen.
Und jenseits dieser bitteren Realität, mit der viele Filmschaffende hierzulande konfrontiert sind, ist die Jubelbilanz der FFA auch noch gnadenlos geschönt, wie schon ein kurzer Blick in die Charts zeigt: Im Jahr 2015 zogen nur zwei deutsche Filme, nämlich »Fack ju Göhte 2« auf Platz 1 und der Zweitplatzierte »Honig im Kopf«, nahezu 14 Millionen Besucher an — und vereinen damit mehr als ein Drittel aller Besucher deutscher Spielfilme auf sich. Die Plätze 3 bis 10 kamen zusammengefasst auf weitere 12 Millionen Besucher. Gewürzt wird dieses Bild noch durch einen interessanten Randaspekt: Auf Platz 3 landete mit »Die Tribute von Panem – Mockingjay, Teil 2« eine Produktion, die Studio Babelsberg koproduzierte — und die deshalb als USA/D-Produktion ebenfalls in diese Zahlen einfloss.
Insgesamt muss man leider sagen: In diesen Zahlen spiegelt sich ein krankes System. Eine gesunde Filmwirtschaft und Produktionslandschaft müssten andere Ergebnisse erzielen.
Und es geht weiter: Die übrigen 11 der insgesamt rund 37 Millionen Kinozuschauer verteilten sich auf weitere 216 deutsche Filme, die 2015 erstaufgeführt wurden. Bei einer reinen Durchschnittsrechnung innerhalb dieses Segments ergeben sich — für die große Masse der deutschen Erstaufführungen — rund 51.000 Zuschauer pro Film. Auch das ist mit Sicherheit keine Zahl, die zu spontanen Jubelgesängen über den Erfolg des deutschen Films und des dahinter stehenden Fördersystems anregt.
Vor allem dann nicht, wenn man einen genaueren Blick in die Liste der Produktionen wirft, die sich in diesem Bereich der Jahrescharts tummeln: Dort finden sich keineswegs nur abseitiger, verquaster, billiger Bockmist oder Zweitverwertungen von Fernsehproduktionen, sondern mittendrin stecken durchaus interessante, ambitionierte, im Rahmen ihrer Mittel sehr gut gemachte Produktionen, die aber bestenfalls mal eine sechsstellige Besucherzahl erreichen. Erfolg sieht anders aus. Woran liegt es, dass auch gute, interessante Produktionen oft nur ein Nischendasein fristen?
Solche und ähnliche Fragen stellt sich die Branche immer wieder und Festivals wie die Berlinale böten Raum, um auch das zu diskutieren. Stattdessen geht es vorrangig um Glamour und darum, sich selbst zu feiern. Ein Thema, das stattdessen im Fokus stehen sollte, ist die Filmförderung in Deutschland — und deren ständige kritische Hinterfragung. Den einen scheint die Förderung einfach nur zu niedrig, den anderen viel zu hoch und wieder andere sehen strukturelle Probleme und Fehlverteilungen. Eine gewisse Einigkeit herrscht oft darin, dass die Filmförderung zu kompliziert und zu verkrustet sei, während andere Geldgeber zu risikoscheu seien, um Filmproduktionen zu stemmen.
Spiegel Online zitierte in diesem Zusammenhang mit Bettina Reitz eine der erfolgreichsten deutschen TV-Macherinnen. Die hatte bei der Veranstaltung »Kino machen andere. Warum der deutsche Film nur unter sich feiert«, gesagt: »Die Strukturen und Fördermechanismen sind ja äußerst kompliziert. Hier wird sich in den nächsten Jahren kaum was ändern.« Resignation einer Führungskraft, die jahrelang beim BR Verantwortung trug und nun die Filmhochschule in München leitet — Aufbruch klingt anders.
Bleibt der Branche wirklich nur die schale Hoffnung, dass im Fahrtwind kommerziell erfolgreicher Filme wie »Fack ju Göhte« vielleicht auch andere Produktionen eine Finanzierung erhalten und ihre Zuschauer erreichen können? Ein trauriges Bild, das stark mit der Erfolgsmeldung der obersten Förderbehörde FFA kontrastiert.